Kopenhagen. Komplizierte Rechenspiele beim Treffen der Finanzminister in Kopenhagen: Künftig wollen die Europäer 800 Milliarden Euro für Krisenstaaten bereit stellen. Davon sind allerdings 300 Milliarden Euro bereits verliehen oder verplant.
Wenig lief so wie geplant. Erst beugte sich Deutschland nach langem Zaudern dem weltweiten Druck, den Nottopf für klamme Euro-Staaten aufzustocken. Und am Freitag, als die Aufstockung im dänischen Kopenhagen offiziell beschlossen wurde, verhagelte Österreichs Finanzministerin Maria Fekter ihren europäischen Amtskollegen den großen Auftritt.
Sie plauderte zum Ärger der anderen schon vor Ende des Treffens Details aus, wie der Euro-Rettungsfonds großgerechnet wird: Bereits verplante oder gezahlte Notkredite für Griechenland, Irland und Portugal werden einfach zum neuen Euro-Rettungsfonds hinzugezählt.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) konnte immerhin am Vorabend bei einer Debatte an der Universität Kopenhagen als erster verkünden, dass für Euro-Krisenstaaten insgesamt 800 Milliarden Euro Nothilfe zur Verfügung steht. Ursprünglich hatte Deutschland eine Obergrenze von 500 Milliarden Euro verlangt.
Vom Tisch ist die eine Billion Euro, die Frankreich oder der Internationale Währungsfonds IWF forderten. Der größte EU-Staat Deutschland wehrte sich aus innenpolitischen Gründen heftig gegen diese Riesensumme. Trotzdem können die Europäer weltweit mit der Billion aufwarten: 800 Milliarden Euro sind umgerechnet 1,07 Billionen US-Dollar.
Warum soll der Nottopf größer werden?
An den Finanzmärkten und beim IWF soll das Eindruck machen. Der Währungsfonds steuert bisher einen Teil der Notkredite für Euro-Krisenstaaten bei. Seine weitere Unterstützung machte der IWF abhängig von der künftigen Höhe der Euro-Brandschutzmauer - so nennen Politiker den Euro-Rettungsfonds gern. „Nach der Abmachung zur Brandmauer sind wir für die Gespräche über die IWF-Beteiligung im April gerüstet", sagte Frankreichs Finanzminister Francois Baroin. „Das ist ein gutes Signal."
Auch die EU-Kommission freut es, dass der Euro-Nottopf erweitert wird. Die Größe macht's, findet sie. Seit langem verlangt Brüssel, die „Brandschutzmauer“ um den Euro-Währungsraum zu erhöhen. Das solle verhindern, dass die Schuldenkrise in Griechenland, Portugal und Irland, die Notkredite erhalten, auf größere Euro-Staaten übergreift.
Finanzmarkt-Akteure schauen besorgt auf Italien und Spanien. Falls diese zwei größeren Euro-Staaten auch Notkredite brauchen, sei der bisherige Rettungsfonds zu klein, so die Befürchtung. „Spanien ist in einer sehr schwierigen Situation", sagt EU-Währungskommissar Olli Rehn.
Ein größerer Nottopf, hoffen die Europäer, signalisiert Finanzmarkt-Akteuren wie Banken und Investmentfonds, dass klamme Euro-Staaten nicht auf sie angewiesen sind, sondern zur Not eine andere Geldquelle anzapfen können. Das soll Investoren dazu bringen, Sorgenländern weiter Geld zu tragbaren Bedingungen zu borgen.
Wie wird der Rettungsfonds aufgestockt?
Die Europäer haben sich eine komplizierte Konstruktion überlegt. Statt einem gibt es eine Zeit lang zwei Nottöpfe. Der bisherige vorläufige Rettungsfonds (EU-Jargon: EFSF), der im Mai 2010 errichtet wurde, bleibt zunächst aktiv. Er kann 440 Milliarden Euro ausleihen. Aus ihm erhalten Portugal und Irland Notkredite. Er stemmt auch das zweite Hilfspaket für Griechenland. Damit sind 200 Milliarden Euro weg oder verplant – und etwa 240 Milliarden Euro übrig.
Diese ungenutzte Summe dient vorläufig als Puffer. Denn der neue Rettungsfonds wird ab Juli eingerichtet, erreicht aber erst übernächstes Jahr seine volle Ausleihkapazität von 500 Milliarden Euro. Spätestens bis 2014 zahlen die Euro-Länder 80 Milliarden Euro bar in ihn ein. Zugleich gewähren sie Garantien für den Fonds.
Zu den gewährten oder verplanten Notkrediten von 200 Milliarden Euro und den frischen 500 Milliarden Euro aus dem neuen Nottopf zählen die Europäer 100 Milliarden Euro hinzu. Das sind die bereits an Athen gezahlten Notkredite aus dem ersten Hilfspaket für Griechenland. Unterm Strich – so die trickreiche Rechnung der Europäer - macht das 800 Milliarden Euro.