Essen. Erster Knatsch im Wahlkampf zwischen SPD und Grünen: Die Grünen fordern ein generelles Tempolimit auf Autobahnen und machen dies zur Bedingung für eine Koalition mit der SPD. Deren Spitzenkandidatin Hannelore Kraft weist die Grünen zurecht. Dennoch wird es bald mehr Tempolimits im Ruhrgebiet geben.
NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) schließt ein Tempolimit auf Autobahnen aus. „Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen in NRW wird es mit mir nicht geben. Das ging bisher nicht und das geht auch nach der Landtagswahl nicht", sagte Kraft der WAZ-Mediengruppe. "Da, wo die Lärmbelästigung zu hoch ist oder der Schutz vor Unfällen verbessert werden muss, ist Tempobegrenzung richtig. Aber ein allgemeines Tempolimit ist nicht Position der SPD.“ Kraft reagierte damit auf Forderungen von Seiten der NRW-Grünen nach einem Tempolimit von 120 km/h auf den Fernstraßen.
„Wenn man sich die Autobahnen in NRW anschaut, findet man ohnehin nur wenige Stellen, wo man angesichts des dichten Verkehrs 120 Stundenkilometer fahren kann", erklärte Kraft weiter.
Dennoch prüft die rot-grüne Landesregierung eine Ausweitung der Tempolimits auf Autobahnen in NRW. So plant Verkehrsminister Harry K. Voigtsberger (SPD) zunächst auf Teilen der A42, A44 und A45 mindestens sechs Monate versuchsweise eine Begrenzung zwischen Tempo 100 und 130.
Feldversuch Tempolimit auf Ruhrgebiets-Autobahnen
Seit Monaten erfasst das Ministerium den Ist-Zustand. In dem Feldversuch, der sich zunächst nur auf 90 Autobahnkilometer erstrecken wird, sollen die Folgen eines Tempolimits für die Sicherheit sowie die Lärm- und Abgasentwicklung getestet werden. „Ich lasse das offen, ob es weitere Tempolimits geben wird“, sagte Voigtsberger. Er bestehe darauf, dass die Effekte eines Tempolimits geprüft werden.
Versuchsweise soll es weitere Tempolimits geben auf:
- A42: Herne-Baukau / AK Castrop-Rauxel Tempo 120
- A44: AK Dortmund-Witten - Bochum-Witten Tempo 120
- A45: AK Westhofen/ AK Dortmund/Witten Tempo 120
- A45: Dortmund-Witten/Do-Dorstfeld Tempo 100
- A45: Do-Hafen/AK Castrop-Rauxel Ost Tempo 120
In weiten Teilen des Ruhrgebiets wie der A40 (Tempo 100) und der A43 (Tempo 120) gilt zwar bereits eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen. In ganz NRW gibt es jedoch nur auf 1200 der 4400 Autobahnkilometer Tempobeschränkungen.
Kritik an Tempolimit aus der Union
Die Diskussion über ein generelles Tempolimit hatte Grünen-Fraktionsvize Arndt Klocke angestoßen. Klocke will das Tempolimit in einem neuen Koalitionsvertrag mit der SPD vereinbaren. Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen hält die Forderung seines Parteifreundes aber ohnehin nicht für umsetzbar. Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen seien Bundessache, sagte Priggen. Für eine NRW-Regelung müssten im Einzelfall Sicherheits- oder Lärmschutzgründe vorliegen. Priggen unterstützte allerdings Klockes Vorstoß für eine Bundesratsinitiative des Landes für ein bundesweite Limit auf Autobahnen von Tempo 120 .
Der CDU-Verkehrsexperte Lutz Lienenkämper kritisierte die Grünen-Forderung als sinnlos. „Millionen von Pendlern in Nordrhein-Westfalen freuen sich, wenn sie endlich einmal 120 Stundenkilometer auf einer NRW-Autobahn fahren können. Aufgrund der „SPD-grünen Blockadepolitik“ stünden Autofahrer ständig im Stau. Auch die NRW-FDP lehnte ein generelles Tempolimit auf Autobahnen ab.
Wolfgang Wedekind, in der SPD-Fraktion zuständig für Verkehrsfragen, sagte gegenüber DerWesten: "Ein landesweites Tempolimit halte ich nicht für zielführend." Wedekind sprach sich stattdessen für mehr dynamische Verkehrsregelungen aus.
Unfallforscher: Autobahnen in Deutschland sind vergleichsweise sicher
Der Unfallforscher Rainer Wiebusch-Wothge von der Ruhruni Bochum begrüßte dagegen ein Tempolimit auf Autobahnen. Jeder Stundenkilometer, der langsamer gefahren werde, senke die Unfallgefahr erheblich. Vor allem die Zahl schwerer Auffahrunfälle könnte damit gesenkt werden. Allerdings warnte er vor zu hohen Erwartungen. In den USA beispielsweise, wo ein striktes Tempolimit herrscht, gebe es deutlich mehr Unfälle als in Deutschland. Auch gelten die Autobahnen in Deutschland als vergleichsweise sicher. Auf Land- und Bundesstraßen gibt es jedes Jahr deutlich mehr Verkehrstote.
Das zeigen auch Zahlen aus NRW. Laut Innenministerium gab es vergangenes Jahr bei Unfällen auf Autobahnen 68 Tote, bei Unfällen auf Bundes- und Landstraßen kamen dagegen 335 Menschen ums Leben.
Allerdings ist Deutschland laut ADAC das einzige Land in Europa, wo es auf den Autobahnen kein Tempolimit gibt.