Washington. . Amerikas höchste Richter prüfen das Herzstück der Präsidentschaft von Barack Obama auf Verfassungsmäßigkeit. Bis Mittwoch beraten die Richter des Supreme Court über „Obamacare“: Kippt das Gesetz, steht die Wahl im November für Obama unter einem schlechten Stern.

Es ist das wichtigste Gerichtsverfahren in Amerika seit Jahrzehnten. Streitsache: die Gesundheitsreform von US-Präsident Barack Obama. Sein Hauptziel: 50 Millionen Amerikaner ohne Krankenversicherung bis 2020 in ein solidarisch geprägtes System zu holen und die aus dem Ruder laufenden Kosten des teuersten und ineffizientesten Gesundheitssystems moderner Industrie-Nationen zu senken.

Die neun höchsten Richter des Landes nehmen sich von Montag bis Mittwoch im „Supreme Court” fast sechs Stunden Zeit – so viel wie seit 50 Jahren nicht mehr – um die Argumente der Regierung auf der einen Seite und der 26 Bundesstaaten und Unternehmensgruppen zu würdigen, die gegen das vor zwei Jahren beschlossene Reformprojekt geklagt haben, das erst 2014 wirksam werden soll. Ihre Kernkritik lautet: Wenn Washington, also der Zentralstaat, die Bürger zum Abschluss einer Krankenversicherung zwingt, überschreitet er seine Kompetenzen und verstößt gegen Amerikas Heiligtum – die Verfassung.

Republikaner sind geschlossen gegen gesetzliche Versicherung

Kippt der mit fünf eher konservativen und vier liberalen bis moderaten Richterinnen und Richtern besetzte Oberste Gerichtshof das Gesetz, steht die Präsidentenwahl im November für den Amtsinhaber unter einem schlechten Stern. Sämtliche republikanischen Gegenkandidaten haben Stein und Bein geschworen, “Obamacare” , so das Etikett für die Reform, einzustampfen, sollten sie an die Macht kommen. Eine Entscheidung wird im Sommer erwartet, wenn der Wahlkampf in die heiße Phase tritt.

Obamas Gesundheitsreform, an der sich demokratische Präsidenten seit 50 Jahren vergeblich versuchten, schreibt vor, dass in Zukunft nahezu alle Bürger, die es sich leisten können, eine Krankenversicherung abschließen müssen. Andernfalls werden Geldstrafen bis zu 700 Dollar fällig. Wer wenig verdient, bekommt staatliche Zuschüsse, um die Police bezahlen zu können. Zudem werden Versicherern, die in den USA bislang nach Gutdünken Menschen mit langer Krankheitsgeschichte abweisen, kündigen oder mit horrenden Aufschläge belegen dürfen, Ketten angelegt.

Die Gesundheitsreform soll die Kostenlawine aufhalten

Sämtliche Maßnahmen folgen dem Ziel, die Kostenlawine aufzuhalten und einen Sinneswandel einzuleiten: Heutzutage sparen sich viele junge, gesunde Menschen die Krankenversicherung. In der Hoffnung, damit klar zu kommen, bis “Medicare” zahlt. Das ist die staatliche Einheitsversicherung. Sie gilt für Menschen über 65 und wird durch eine Steuer von rund drei Prozent des Bruttoeinkommens finanziert, die jeder Berufstätige zu zahlen hat. Die Hälfte trägt der Arbeitgeber. Zusammen mit dem staatlichen System für Sozialhilfe-Bezieher (“Medicaid”) ergeben sich hier inzwischen jährliche Kosten von 900 Milliarden Dollar – mehr als der Militär-Etat; Tendenz steigend.

Die Millionen Nichtversicherten gehen im Falle einer schlimmen Erkrankung in die nächste Notfall-Ambulanz eines Krankenhauses („Emergency Room”). Sie müssen dort behandelt werden. Die gigantischen Kosten trägt später die Allgemeinheit. Für die Demokraten und Präsident Obama ein „Ding der Unmöglichkeit”. Für die Republikaner Ausdruck einer „freien Risikogesellschaft”.