Essen. . Regierungssprecher Steffen Seibert hat sich von Twitter-Nutzern interviewen lassen. Der Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel nutzt den Kurznachrichten-Dienst für seine Arbeit seit einem guten Jahr. Sehr begeistert waren die Mittwitterer allerdings nicht.

Kann man Politik in 140 Zeichen erklären? Regierungssprecher Steffen Seibert, seit gut einem Jahr bei Twitter aktiv, hat es versucht. Am Donnerstag stellte er sich in seinem ersten „Twinterview“, den Fragen der User. Die interessierten sich nicht nur für die großen weltpolitischen Themen, sondern auch für sein aktuelles Lieblingslied. Am Ende stellte Seibert in Aussicht: „Ich denke, wir machen das mal wieder.“

„Guten Morgen, hier sitze ich, Tablet ist frisch geladen, es kann losgehen“, zwitscherte Seibert von seinem Account „RegSprecher“ pünktlich um 11.30 Uhr. Eine halbe Stunde wollte sich der Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel Zeit nehmen, angesichts der Flut an Fragen hängte er sogar noch 15 Minuten dran.

Dabei stellte er auch klar, dass Merkel selbst dem sozialen Medium weiterhin fernbleiben werde. „Es bleibt dabei: als RegSprecher twittere ich über die Arbeit der Kanzlerin und der Regierung.“, schrieb Seibert. Dabei hatte Twitter-Gründer Jack Dorsey, am Donnerstag zu Besuch bei Merkel in Berlin, kurz zuvor noch gezwitschert: „Ich will sie schon lange treffen: Die Welt braucht sie auf Twitter.“

Ein wichtiges Thema war natürlich die Auflösung des NRW-Landtags am Mittwoch. „Wie beurteilt die Regierung die Entwicklungen in NRW“, fragte User cptblaubaer stellvertretend für viele. „Was sagt die Kanzlerin zur sehr unsicheren Zukunft der FDP“, wollte Christin wissen. Und „verlässt Röttgen jetzt Merkels Kabinett“, hakte Twitterer Juju nach. Heikle Fragen, die Seibert nicht beantworten konnte oder wollte. „Landespolitik ist nichts für Sprecher der Bundesreg. Wir arbeiten hier in Berlin an unseren Aufgaben“, ließ er die Twitter-Gemeinde wissen.

Bunte Palette an weltpolitischen Fragen

Umso mehr bemühte er sich dafür, die bunte Palette an weltpolitischen Fragen zu beantworten. Syrien, ACTA, Solarenergie, Menschenhandel, Christenverfolgung, Benzinpreis, Frauen in Führungspositionen und die Präsidentenwahl in Frankreich. Kein aktuelles Thema wurde ausgelassen. „Warum genießen die US Ratingagenturen hierzulande so viel Ansehen und Macht?“, fragte User William Harrison. Seiberts Antwort: „Es wäre gut, wenn es eine europ. Ratingagentur gäbe, aber privatwirtschaftlich, damit glaubhaft.“ Ob und wann eine solche Institution jemals eingeführt wird, und warum eine staatliche Institution weniger glaubhaft wäre, ließ er allerdings offen.

Das Thema Finanzen blieb gefragt. „Warum fordert DEU andere Länder zum Schuldenabbau auf, ohne selbst wirklich ein Vorbild zu sein?“, fragte Morten Schmelzer. „Konsolidierung des Haushalts kommt in D gut voran - werden Schuldenbremse natürlich einhalten“, lautete Seiberts Antwort.

„ACTA würde an der deutschen Rechtslage nichts ändern“

Großes Interesse gab es auch an einer Stellungnahme zum heiß diskutierten Thema Acta – dem geplanten internationalen Handelsabkommen gegen Produktpiraterie. Seibert versuchte zu beruhigen: „ACTA würde an der dt. Rechtslage nichts ändern.“ Die Bundesregierung stehe zum Kabinettsbeschluss. Es sei aber richtig, zunächst das Gutachten des Europäischen Gerichtshofs abzuwarten.

Die Twitter-Gemeinde interessierte sich aber auch für ganz persönliche Dinge aus Seiberts Leben. „Was ist derzeit ihr Lieblingssong?“, wollte User Lars Stosch wissen. Offenbar hat Seibert nicht viel Zeit zum Musikhören, denn er war sich nicht ganz sicher: „Irgendwas von Mac Miller, kenne den Titel nicht.“ Was er derzeit liest, wusste er dafür genau: „Zur Zeit lese ich „Oblomow“ von Iwan Gontscharow“, ließ der frühere ZDF-Anchorman wissen.

Auch Seiberts Wechsel ins PR-Geschäft war Thema

Auch der Wechsel ins PR-Geschäft wurde zum Thema bei Twitter. „Wünschten Sie sich nicht manchm. lieber beim ZDF geblieben zu sein als die Taten d. Regierung „schönreden“ zu müssen?“, fragte User Michael Rocek kritisch. Seibert zeigte, dass er seinen neuen Job verinnerlicht hat: „Nein, ich war 21 schöne Jahre lang Journalist. Neue Aufgabe, Politik zu erklären u. zu informieren, anders, aber auch schön.“

Seiberts Twinterview-Premiere schaffte es zwischenzeitlich bis auf Platz zwei der „Trending Topics“. Das Fazit der User fiel eher negativ aus. „War Geschwätz. Wen interessiert was der RegSprecher liest? So im Twitterplausch okay, aber bei Fragestunde? Nee!“, urteilte User Jens Bertrams. Andere beklagten unbeantwortete Fragen oder sinnlose, weichgespülte Antworten. Zwar versuchte Seibert, auf die wichtigsten Fragen einzugehen. Doch in 140 Zeichen sind keine umfassenden Antworten möglich. Vielleicht war er auch einfach überrascht von der regen Beteiligung der Twitter-Gemeinde. „Zeit rasend vergangen, jetzt muss ich los“, schloss Steffen Seibert die Runde nach 45 Minuten und 39 öffentlichen Tweets und dankte allen Teilnehmern. „Ich denke, wir machen das mal wieder“, versprach er zum Schluss, schränkte aber ein: „Vielleicht auch mal mit vorher eingesammelten Fragen.“