Bonn. Der Landtagsabgeordnete ist bei Facebook, die Ministerin twittert - politische Kommunikation findet längst auch in Sozialen Medien statt. Welche Möglichkeiten bietet das Politik und Bürgern? Beim Politcamp11 in Bonn wurde das immer wieder diskutiert.
Hannelore Kraft hat knapp 6400 Fans auf Facebook, Karl-Theodor zu Guttenbergs Seite im selben Netzwerk mögen mehr als 274.000 Nutzer, und Regierungssprecher Steffen Seibert bekannte sich erst kürzlich in einem Interview dazu, dass er langsam aber sicher Gefallen am Mikrobloggingdienst Twitter findet. Politische Kommunikation anno 2011 findet längst nicht mehr nur in der Zeitung, über Pressemitteilungen und am Wahlkampfstand statt. Aber nutzen die Politiker und Parteien auch die Möglichkeiten, die sich ihnen im Social Web bieten? Verändern Soziale Medien die Politik gar? Diese Fragen wurden am Wochenende beim Politcamp11 in Bonn immer wieder diskutiert.
Einig sind sich die Teilnehmer alle: Mit dem Anlegen eines Facebook-Kontos oder eines Twitter-Profils ist es für die Politiker nicht getan. Und auch darin ist man sich in Bonn einig: Die Sozialen Medien seien zuallererst einmal eine Chance – „gemeinsam mit den Bürgern auf Augenhöhe zu diskutieren“. Das sagt Hansjörg Schmidt (SPD), Mitglied der Hamburgischen Bürgschaft, deren medienpolitischer Sprecher und eifriger Twitterer. Er sagt aber auch, dass die Sozialen Medien mitunter „massiv überbewertet“ werden. Facebook, Twitter und Co. seien kein Selbstzweck, der Wahlkampfstand im Wahlkreis viel wichtiger. Auf seine Wahlkampfplakate sei er beim Bäcker schon angesprochen worden. „Auf mein Twitter-Profil noch nie.“
"Den Bürger abholen, wo er ist"
Warum aber dann sollen Politiker aus Rathaus oder Plenarsaal twittern? Manches, was beim Politcamp konstatiert und gefordert wird, scheint trivial. Auch über diesen Wege müsse der Bürger „da abgeholt werden, wo er ist“ – dieser Satz fällt immer wieder. Aber ist der Otto-Normal-Bürger überhaupt im Netz, will er dort abgeholt werden?
Die Netzgemeinde, die sich im Social Web gesellschaftlich und politisch engagiert, sei keineswegs repräsentativ, betont Andreas Jungherr, Politikwissenschaftler an der Uni Bamberg (und Social-Media-Berater der NRW-CDU im Wahlkampf 2010). „Man darf nicht vergessen, dass das Netz die Gesellschaft sehr verzerrt darstellt“, sagt er am Sonntag in einer Podiumsdiskussion. Die online politisch Aktiven seien eine „hochgebildete, soziologisch gut vernetzte Gruppe“. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung wolle sich tatsächlich politisch beteiligen. Aber: „Wenn ich als Bürger bei einem konkreten Punkt das Gefühl habe, da stimmt was nicht“, dann brauche es einen Weg, „dass ich hör- und sichtbar werde.“ Bekanntes Beispiel: Stuttgart 21 und der Protest dagegen.
Stimmungen wahrnehmen
Dieses „Wutbürgertum“, glaubt auch Tobias Nehren, Mitarbeiter des SPD-Parteivorstandes, sei ein Zeichen dafür, „dass es politische Bürger gibt, die sich vom Parteiensystem nicht mehr vertreten fühlen. Dass es ein Interesse gibt, mitzuwirken, Dinge zu gestalten.“ Facebook, Twitter und Co. könnten Parteien und Politikern als Kanal dienen, „über den wir Stimmungen wahrnehmen können“. Der nächste Schritt: Werkzeuge anzubieten, mit denen Bürger unabhängig von Zeit und Ort Ideen einbringen und mitbestimmen können. „Der Ansatz“, sagt Nehren, „dass man erst Mitglied werden muss und sich dann beteiligen darf, ist nicht mehr zeitgemäß.“
Bedeutet das aber, dass nun allen Abgeordneten beigebracht werden muss, wie man twittert und facebookt? Wohl kaum. Die einen wie Eva Horn, Mitarbeiterin der Landtagsfraktion der Grünen in Baden-Württemberg, teilen eben ihre Gedanken mit der Welt – politisch oder nicht. Die anderen plaudern lieber am Wahlkampfstand auf dem Marktplatz mit dem Bürger. "Wir müssen", sagt Horn, "den Wähler ernst nehmen - nicht nur in den Sozialen Medien und vor Wahlentscheidungen, sondern immer." Dass man sich als Politiker mit Leuten auseinandersetzen müsse, sagt Tobias Nehren, „ist doch nichts Neues.“ Die Wege aber sind eben neu. „Habt Geduld mit uns“, hat so schon am Samstag ein Teilnehmer an die Politcamp-Gemeinde appelliert. „Die Parteien lernen noch, die Parteien machen Fehler.“ Das sei ein Prozess, bei dem sich Einiges von selbst entwickeln werde, glaubt auch Ralph Makolla, stellvertretender Kreisvorsitzender der CDU Oldenburg.
Und dann mahnt am Sonntag auch Andreas Jungherr zur Gelassenheit: „Nur, weil jemand 20.000 Facebook-Freunde hat, ist er noch nicht der Präsident.“ Wer wüsste das besser als Karl-Theodor zu Guttenberg?
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