Essen. . Merkel goes Media: Zum ersten Mal reagiert Angela Merkel auf der Videoplattform „Youtube“ auf Bürgerfragen. In einem Bewertungssystem konnten User die zehn beliebtesten Fragen auswählen. Die ersten drei hat Merkel heute beantwortet – und mit ihren Reaktionen wohl niemanden überrascht.

„Erstmal möchte ich allen danken, die die Fragen gestellt haben“, sagt Angela Merkel zu Beginn des kurzen Videoclips, der am Freitag erstmals ausgestrahlt wurde. Eine steife Reaktion auf die fast 2000 Fragen, die Nutzer des Youtube-Kanals der Bundesregierung in den letzten Wochen eingereicht haben. „Ich möchte jetzt die Frage beantworten“ ist der zweite Satz der Kanzlerin. Doch wer gehofft hat, hier gehe es nun erstmals anders zu als in Polit-Talkshows im Fernsehen, hier würden Fragen offen und direkt beantwortet und nicht um den heißen Brei geredet, wurde enttäuscht.

„Sehr geehrte Frau Merkel, wie kann es sein, dass sich ausgerechnet Gut- und Großverdiener aus dem sozialen System der gesetzlichen Krankenkasse ausklinken dürfen und besonders Beamte nicht teilnehmen, obwohl es von der Regierung verantwortet wird?“ ist auf dem letzten Platz der zehn beliebtesten Fragen. Anstatt klar Stellung zu beziehen, erklärt Angela Merkel das System der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung in Deutschland und nimmt die Beamten in Schutz, die „nicht alles bezahlt bekommen.“ Auch bei der Anschlussfrage von Moderator Torsten Föste, der der Kanzlerin die Fragen zehn bis sieben vorliest, bleibt Merkels Antwort blass: Ob Deutschland sich überhaupt noch einen Sozialstaat leisten könne, will Föste wissen. Merkel erklärt Rentensystem, die staatliche Förderung der Riester-Rente und die geplante Pflegereform. Sie erklärt und bleibt dennoch Antworten schuldig.

Erklärung statt Stellungnahme

Ein weiterer User stellt die soziale Gerechtigkeit in Deutschland ebenso infrage - allerdings auf einer anderen Ebene: „Frau Merkel, wie kann es sein, dass die Bundestagsabgeordneten über ihre Diäten-Erhöhungen selbst bestimmen dürfen? In Unternehmen bestimmen ja auch nicht die Angestellten über ihre Löhne, da ihr ja dem Volk dient, müsste das auch über Diäten, usw. bestimmen.“ Auch hier weicht Merkel der Frage nicht aus, erläutert aber lediglich, dass das Einkommen der Bundestagsabgeordneten sich am Gehalt von Bürgermeistern aus kleineren Städten orientiere. Wer für einen Bundestagswahlkreis verantwortlich sei, der müsse sich im Schnitt um 200.000 Personen kümmern, sagt Merkel. Deswegen sei es richtig, dass ein MdB angemessen bezahlt werde.

„Frau Merkel, Abgeordnete erhalten doch wirklich keinen Hungerlohn. Warum kann nicht eingeführt werden, dass für die Zeit des Mandats sämtliche Nebentätigkeiten eingestellt werden müssen? MdB sind im Moment doch nur versteckte Lobbyisten!“ Über diese Überlegung kann Merkel nur müde lächeln. „Das glaube ich nicht“, sagt sie trocken. Außerdem solle ein Abgeordneter den „Bezug zu seinem Beruf“ nicht verlieren. „Man kann jederzeit nachsehen, welcher Nebentätigkeit die Mitglieder des Bundestags nachgehen. Ich finde das sehr transparent.“ Punkt. Keine weitere Stellungnahme auf diese Frage, in der sich Wut und Unmut vieler Bürger widerspiegeln.

Politikerin aus Leidenschaft?

Auch die Frage, die bei den zehn beliebtesten auf Platz sieben steht, beantwortet Merkel nur mit Phrasen. „Warum gibt es eine Fragestunde an alle Politiker von den Bürgern nicht einmal im Monat im Bundestag Frau Merkel? Denn hier gehen Ihnen doch die Fragen ins eine Ohr rein und ins andere wieder raus oder soll sich doch etwas ändern nach dieser Befragung?“ Die Kanzlerin verteidigt die repräsentative Monarchie, erklärt das Zwei-Kammer-System in Deutschland, „das hat sich bewährt“, sagt sie. „Ich bin Politikerin aus Leidenschaft“, ist einer ihrer letzten Sätze im ersten Bürgerdialog 2.0. So richtig glauben mag man das nicht.