Essen. Arbeitslose Zuwanderer aus der EU sollen nicht mehr vom ersten Tag an Hartz-IV-Leistungen erhalten. Eine entsprechende Anweisung gab das Bundesarbeitsministerium an die Bundesagentur für Arbeit. NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) kritisiert dieses Vorgehen.

Es klingt nach Routine, doch diese „Geschäftsan­weisung“ aus dem Hause von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte es in sich. Sie löste gestern bei den Fachleuten breite Kritik aus. Und das kommt nicht von ungefähr. Denn das Schreiben sperrt die Zahlung von Hartz-IV-Leistungen an Arbeit suchende Bürger aus der Europäischen Union.

Die umstrittene Anweisung ging am 23. Februar an die Bundesagentur für Arbeit und gilt ab sofort.

Kommt also ein Grieche oder ein junger Spanier, der mitten in der Schulden-Krise und den atemberaubend ­hohen Arbeitslosenzahlen seinen Job verloren hat, am Montag nach Deutschland, um sich hier eine Stelle zu suchen, dann darf er nicht auf staat­liche Unterstützung zählen. Denn die kriegt er nicht mehr.

„Wer ausschließlich zum Zweck der Arbeitssuche nach Deutschland kommt, erhält erst nach fünf Jahren diese Leistungen“, erklärt Anja Huth, Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit. Zeitgleich mit der Daueraufenthalts- ­Erlaubnis. Ansonsten muss er erst drei Monate lang arbeiten, um Anspruch auf Zahlungen zu erwerben.

Klage eines Franzosen

Das war früher anders. 1953 schlossen 17 Staaten des Europarates das Fürsorgeabkommen (EFA) ab. Es sieht vor, den Bürgern eines jeweils anderen Landes Fürsorgeleistungen zu gewähren. In Deutschland wurden danach Zahlungen nach dem Sozialgesetzbuch II gewährt, nicht aber Hartz IV. Dagegen hatte ein Franzose geklagt. Das Bundessozialgericht entschied 2010: Wer aus einem EFA-Staat stammt, darf nicht von Hartz IV ausgeschlossen werden.

Seither erhielten Arbeit ­suchende EU-Bürger vom ersten Tag an Hartz IV. Doch dagegen meldete die Bundesrepublik im Dezember 2011 einen „Vorbehalt“ an. Und genau der wurde jetzt umgesetzt.

NRW-Arbeitsminister findet die Regelung nicht gut

Das Bundesarbeitsministerium begründet sein Vorgehen mit einer Harmonisierung. Denn für die später zur EU beigetretenen Staaten Osteuropas galt das Abkommen nicht.

Doch Fachleute und Oppositionspolitiker bezweifeln insgesamt die Sinnhaftigkeit der Neuregelung. Zumal die Zahl derjenigen, die in die Sozialsysteme drängen, kaum wahrnehmbar war. Im Durchschnitt erhielten bundesweit 10 000 erwerbstätige Ausländer Unterstützung, so die ­Bundesagentur für Arbeit. Und diese Zahl sei auch nicht in die Höhe geschnellt, als nach dem Gerichtsurteil vom ersten Tag an Hartz IV gezahlt werden konnte. „Es gibt keine Ausschläge“, so Anja Huth.

Da setzt auch die Kritik von NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider an. „Ich sehe überhaupt keinen Handlungsbedarf“, sagte er der WAZ. „Aber ich sehe in einigen Unternehmen Initiativen, die darin bestehen, insbesondere aus Spanien Fachkräfte anzuwerben, um sie hier zu ­beschäftigen“, sagte der NRW-Minister mit Blick auf den Fachkräftemangel. „Wenn die Bundesregierung“, kritisierte er, „ immer so schnell wäre, um auf veränderte Bedingungen zu reagieren, wären wir in manchen Bereichen schon einige Schritte weiter.“ Auch die Arbeitslosenorganisation „Erwerbslosen Forum Deutschland“ ist verärgert. Offenbar, so erklärt sie, gehe es darum, Menschen aus Ländern fernzuhalten, die gerade unter maßgeblichem Druck der Bundesregierung, der Europäischen Zentralbank, des Internationalen Währungsfonds und der EU stünden.