Columbus. . Mit ideologisch aufgepumpten Tiraden liegen die republikanischen Bewerber für das Präsidentenamt quer zu den Alltagsproblemen der meisten Amerikaner. Religiöse Themen spielen eine große Rolle.

Wer hier gewinnt, wird meist auch Präsident. Seit 100 Jahren ist das so. Darum ist der Auftritt für den republikanischen Präsidentschafts-Bewerber Mitt Romney (64) an diesem verhangenen März-Morgen in der Capital-Universität von Columbus/Ohio wichtig. „Fragen. Denken. Führen“, lautet das Motto der Lehranstalt, die ihre religiöse Ausrichtung nicht verbirgt. Romney, der Mormone, will nur reden. Über den Staat, der schlanker gemacht gehört. Über Steuern, die zu senken sind. Und über die Chinesen, die endlich jemand zur Ordnung rufen müsse wegen ihrer auf billig getrimmten Währung.

Typische Romney-Rede. Zwischendurch dürfen ein paar der 400 Gäste, die gekommen sind, um den hüftsteifen Multi-Millionär aus der Nähe zu erleben, Fragen stellen. Woran sich die Menschen erinnern sollen, wenn sie später an ihn denken, will ein Mädchen wissen. Dass ich ein „guter Vater“ war und Amerika „besser gemacht habe“, antwortet Romney.

Tim Sines (66), Ingenieur, Republikaner, eigentlich ein „Romney-Fan“, ist „höchstens semi-zufrieden“. Warum? „Es hat nicht richtig gefunkt“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung. Also doch eher Rick Santorum, den erz-klerikalen Haupt-Konkurrenten Romneys, zum Kandidaten gegen Präsident Barack Obama machen? Augen verdrehen. Schulterzucken. Keine seltene Antwort dieser Tage. Ohio überlegt noch. Warum, weiß Joe Hallett, der für die Zeitung „Columbus Dispatch“ seit Jahrzehnten Wahlkämpfe beschreibt. Beide Kandidaten lägen mit ihren „ideologisch aufgepumpten“ Tiraden quer zu den Alltagsproblemen in dem von der Industrie geprägten Land, sagt der Journalist. „Santorum hat sich mit seinem Kreuzzug gegen Empfängnisverhütung und Abtreibung keinen Gefallen getan.“

Hilfe für die Autoindustrie

Und Mitt Romneys Nein zu Obamas Hilfsaktion für die Auto-Industrie „vergrätzt oben in Cleveland noch immer ganze Stadtteile“. Kein Wunder. 850 000 Arbeitsplätze bei der Opel-Mutter GM, bei Ford, Honda und über 200 Zuliefer-Betrieben hängen in Ohio an der Auto-Industrie. Washington hatte die Konzerne 2009 mit Milliarden-Krediten über Wasser gehalten. Heute fahren einige Rekordgewinne ein. Honda baut neue Werke in Ohio, „Banner“, ein traditioneller Teile-Hersteller in Columbus, verdoppelt seine Belegschaft und der Fiskus verdient prächtig mit. Ohne Obamas Hilfe läge die Arbeitslosigkeit deutlich über 10,7 %, die bei Amtsantritt von Gouverneur John Kasich gezählt wurden. Sagt Mark Kvamme, ein millionenschwerer Investment-Banker aus Kalifornien, der für den agilen Republikaner neuerdings den obersten Wirtschaftsförderer gibt. „Die Auto-Industrie zu retten, war das Smarteste, was Amerika seit langem eingefallen ist“, sagt Kvamme hoch oben in seinem schicken Büro in der Innenstadt von Columbus. Eine schallende Ohrfeige für Rommey, der die „Auto-Konzerne lieber in eine geordnete Insolvenz geschickt hätte.

Arbeitslosigkeit liegt bei 7,7 Prozent

Heute liegt die Arbeitslosigkeit in Ohio bei 7,7 %. Chris Redfern freut das diebisch. Der Chef der Demokraten, mitgliederstärkste Untergliederung im ganzen Land, denkt über den Vorwahltag schon weit hinaus. Der 6. November ist sein Datum. Präsidenten-Wahltag. Bis dahin müssen 2,1 Millionen demokratische Wähler und jede Menge „Independents“, parteiunabhängige Wähler, mobilisiert und für Obama begeistert werden, der Ohio 2008 im Sturm holte. Leute wie Burton Hancock, Projektentwickler, seit Oktober arbeitslos. Eigentlich ein idealer Kandidat für Mitt Romney, der sich den Wählern als neuer Vorstandsvorsitzender der sanierungsbedürftigen Amerika AG empfiehlt. Hancock winkt ab. Staat und Regierung, sagt der 61-Jährige, „funktionierten doch ganz anders als eine Firma“.

Und was ist mit Rick Santorum, Newt Gingrich oder Ron Paul, die morgen auch auf dem Wahlzettel stehen? Hancock lacht und schüttelt den Kopf. „Diesen Radikalen wäre doch selbst ein Ronald Reagan zu liberal gewesen.“