Berlin. .
Experten aus der Wissenschaft glauben nicht daran, dass das Amt des Bundespräsidenten durch die Wulff-Affäre nachhaltig geschädigt worden ist. Die Bundesrepublik dürfte die Krise im Schloss Bellevue locker verschmerzen. Klar ist aber auch: Einen weiteren, einen dritten Problem-Präsidenten in Folge, kann sich Deutschland nicht leisten.
„Affäre als Chance“
„Diese Affäre bietet auch eine Chance. Jetzt muss man aber einen Kandidaten finden, der die Ansprüche des Amtes ausfüllen kann. Dazu war Christian Wulff zuletzt nicht mehr in der Lage“, sagt Prof. Volker Kronenberg, Politologe an der Uni Bonn. Uwe Andersen, lange Politik-Professor an der Ruhr-Uni Bochum, sieht keinen Dauerschaden für die höchste Position im Staat: „Das Amt ist in einer Demokratie zum Glück unabhängig von der Person. In Diktaturen sind Personen alles, in einer Demokratie sind sie nicht so wichtig. Dort kann man Personen austauschen.“
Ein neuer Präsident, das glauben beide. muss besondere Anforderungen erfüllen. Kronenberg: „Er braucht persönliche Integrität, und muss Autorität haben. Zwischen dem, was er sagt, und dem, was er als Präsident personifiziert, darf keine eklatante Lücke klaffen. Das war bei Wulff der Fall. Ein Beispiel: Als Bundespräsident hat Wulff immer wieder angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise zu Maßhalten und Zurückhaltung aufgerufen und selbst, so zumindest der Eindruck, jede Möglichkeit genutzt, Schnäppchen zu ergattern.“
Wulff hat also ausgerechnet moralisch geschwächelt. Ein Kardinalfehler für einen Bundespräsidenten. „Der Bundespräsident ist wie kein anderer auf den Vertrauensvorschuss der Bürger angewiesen. Wulff hat richtig festgestellt, dass er diese besonderen moralischen Erwartungen nicht mehr erfüllen konnte. Seine Vorbildfunktion war dahin. Daher war sein Rücktritt ein richtiger Schritt“, findet Andersen. Sein Kollege Kronenberg glaubt, dass die Affäre das Verhältnis von Politik und Moral grundsätzlich verändern könne: „Politiker müssen damit rechnen, dass sie künftig stärker durchleuchtet werden. Sie werden stärker darauf achten, von wem sie sich wann wozu einladen lassen und wie die Konsequenzen sein könnten. So hat die Affäre für die Politik und die Akzeptanz von Politik auch etwas Positives.“ Mit einem Präsidenten allerdings, der nirgendwo aneckt, einem „Neutrum“ also, wäre der Staat ebenfalls schlecht bedient, glaubt Kronenberg.
Merkel ist das Gegenteil
Selbst Angela Merkel, also diejenige, die Wulff für das Amt empfohlen hatte, hat nach Einschätzung von Experten große Chancen, unbeschadet aus dem Wulff-Desaster ‘rauszukommen. Uwe Andersen ist sicher: „Die Bürger werden das trennen können. Angela Merkel ist derzeit in Umfragen auf einem Höhenflug. Man wird sie auch nicht in Haft nehmen können für die Verfehlungen von Christian Wulff. Das liegt daran, dass Merkel das genaue Kontrastbild zu Wulff ist. Solch ein leichtfertiges Verhalten, solch eine Hinwendung zu reichen Freunden ist bei Merkel schlicht nicht vorstellbar.“
Und wer wird nun Präsident? Kronenberg: „Denkbar wäre Joachim Gauck. Doch damit würde Merkel auch eingestehen, dass sie mit ihrem letzten Kandidaten gescheitert ist. Vorstellbar sind auch Norbert Lammert und Klaus Töpfer.“ Auch Uwe Andersen bringt Lammert ins Gespräch. Gauck genieße nicht einmal bei der SPD hundert Prozent Zustimmung. Eine Prognose traut sich Andersen zu: „Es wird wohl keine Frau sein. Da gibt es noch zu viele Vorbehalte. Gleich zwei Frauen in Spitzenpositionen, das ist extrem unwahrscheinlich.“
Hier können Sie die Rücktrittserklärung von Christian Wulff im Wortlaut lesen.