Essen. Bundesverkehrsminister Ramsauer will die Verkehrssünder-Kartei im Kraftfahrtbundesamt in Flensburg reformieren. Punkte-Tarife, Kumulierung, Verjährung : Vieles dürfte sich ändern, nur die hohe Männerquote wohl nicht.

Gut, dass es Computer gibt. Ohne Computer wäre eine Flensburger Verkehrssünderkartei aus Papier 45 Kilometer lang. Das ist die Strecke Essen-Leverkusen. Doch heute können, IT sei Dank, die Daten der neun Millionen Verkehrssünder auf engstem Raum gespeichert und bearbeitet werden. 47 Millionen Punkte für Verstöße ab 40 Euro Bußgeld haben die Deutschen derzeit dort gesammelt. Ein Höchststand. Pro Minute kommen 20 Punkte dazu.

Die Sünder:

Wichtigste Kunden im Verkehrszentralregister sind die Männer: 78 Prozent. Männer wie Frauen übertreten gerne Tempolimits. Männer neigen darüber hinaus eher den Alkoholfahrten zu, Frauen den Vorfahrtsverletzungen. Die meisten Sünder sind vorsichtig, denn mehr als die Hälfte sind nur mit ein bis drei Punkten belastet. Aber 500 000 Fahrer haben auch acht bis 17 Punkte auf dem Konto – 90 Prozent von ihnen sind männlich.

Der Kern der Reform:

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) will eine Schneise in das Datendickicht schlagen. Der Plan, der 2013 Gesetz werden soll, reift seit zwei Jahren. Auslöser ist die Gretchenfrage der Sünder: Wann bin ich meine Punkte los? Das System der „Kumulierung“ macht eine Antwort bisher nicht einfach.

Kumulieren bedeutet: Die Einträge verlängern sich um weitere zwei Jahre, wenn innerhalb der Tilgungsfrist weitere Punkte dazukommen. Noch komplizierter ist der Fall, wenn ein Verkehrsverstoß vor Ablauf der Tilgung stattfindet, aber erst nach Ablauf geahndet wird. Deshalb ist der Kern der Reform, dass die Verstöße der „groben“ Kategorie und die der „schwerwiegenden“ jeweils für sich verjähren. Das Kumulieren wird in vielen Fällen abgemildert. Ausnahme: Es handelt sich um einen besonders hartnäckigen Verkehrsrowdy.

Das neue System

Die Verstöße werden in zwei Kategorien eingeteilt. Ein Punkt für die „groben“, zwei Punkte für die „schwerwiegenden“. Bei acht Punkten ist der Führerschein weg. Für notorische Sünder könnte es rechnerisch eine Erleichterung sein. Bisher mussten sie beim dritten Vorfall den „Lappen“ abgeben, wenn sie jeweils die Höchstzahl von sieben Punkten kassiert hatten. Künftig ist es erst nach dem vierten Mal so weit. Es gibt gelbe Karten: Eine „Ermahnung“ nach vier und eine „Verwarnung“ beim Kontostand sechs Punkte.

Höhere Bußgelder

Bisher nur eine vage Ankündigung sind höhere Geldbußen. Anton Hofreiter, der grüne Chef im Bundestags-Verkehrsausschuss, lobt den Minister schon für die Absicht. Denn allen Verkehrspolitikern ist klar, dass die deutschen Geldbußen eher niedrig liegen.

Beispiel: 20 km/h zu schnell kann in Spanien bis zu 300 Euro kosten, in Italien bis zu 140 Euro. In Deutschland werden 70 bis 80 Euro fällig. Die Briten nehmen beim Rotlicht-Missachten ab 130 Euro, bei uns kommt man mit 90 Euro (plus drei Punkte) davon.