Berlin/Hannover. Egon Geerkens war bei den Kreditverhandlungen mit Christian Wulff anwesend - das hat jetzt auch Wulffs Anwalt bestätigt. Während sich die Koalition hinter den Bundespräsidenten stellt, kommt nun auch Kritik aus der Kirche: Kardinal Joachim Meisner rät Wulff, seine Weihnachtsansprache “jetzt in der Situation“ nicht zu halten.

Mehr als eine Woche nach Bekanntwerden des umstrittenen Privatkredits für Bundespräsident Christian Wulff sind weitere Details bekannt geworden. Wulffs Anwalt räumte gegenüber der Zeitung "Die Welt" vom Mittwoch ein, dass der Unternehmer Egon Geerkens an den Verhandlungen über den Kredit für Wulffs Hausbau beteiligt gewesen sei. Führende Koalitionspolitiker versicherten Wulff weiterhin ihre Rückendeckung.

Wulffs Anwalt Gernot Lehr erklärte mit Blick auf Egon Geerkens' Rolle: "Die Modalitäten wurden gemeinsam besprochen, das Darlehen von Frau Edith Geerkens gewährt." In einer schriftlichen Stellungnahme an die "Welt" schrieb Lehr, der "Darlehensgewährung" sei eine Suche des Ehepaars Wulff nach einer geeigneten Immobilie vorausgegangen. Egon Geerkens sei hierbei "aufgrund seines besonderen Sachverstands und der freundschaftlichen Beziehungen eingebunden" gewesen.

Ein "Gespräch unter Freunden"

Damit bestätigte der Anwalt Angaben von Geerkens selbst: Dieser hatte dem "Spiegel" gesagt, er sei selbst an den Kreditverhandlungen maßgeblich beteiligt gewesen. Der Frage nach Geerkens' genauer Rolle kommt zentrale Bedeutung zu, weil Wulff 2010 vor dem niedersächsischen Landtag die Anfrage der Grünen verneinte, ob er geschäftliche Beziehungen zu Geerkens unterhalte. Es geht nun um den Verdacht, Wulff habe das Parlament falsch informiert.

Geerkens' Rolle bei den Kreditverhandlungen stelle Wulffs damalige Aussage nicht in Frage, sagte Anwalt Lehr dem "Tagesspiegel" (Donnerstagsausgabe): "Das Gespräch unter Freunden über den möglichen Kauf eines Hauses stellt keine geschäftliche Beziehung dar."

Kirche schaltet sich ein

In der Bewertung der Affäre klafften die Einschätzungen von Regierung und Opposition weiter auseinander, auch die Kirche schaltete sich ein. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner empfahl Wulff im WDR-Fernsehen, "jetzt in der Situation" keine Weihnachtsansprache zu halten. Wenn er selbst in einer vergleichbaren Lage wäre, "dann müsste ich meinen Hirtenstab abgeben". Wulffs Weihnachtsansprache soll am Sonntag ausgestrahlt werden.

Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) sagte der "Berliner Zeitung", er habe "volles Vertrauen zu diesem Bundespräsidenten". Die Debatte drehe sich "eher um Stilfragen". Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, forderte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung", "aus Respekt vor dem Amt sollte die Diskussion unverzüglich eingestellt werden".

Wahrheit, scheibchenweise

Die Opposition kritisierte hingegen, Wulff offenbare die Wahrheit immer nur scheibchenweise. "Er gibt immer nur das zu, was man ihm nachweisen kann", sagte der SPD-Innenexperte Sebastian Edathy im Deutschlandfunk. Grünen-Geschäftsführerin Steffi Lemke sagte der "Welt", Wulff könnte als "Salami-Präsident" in die Geschichte eingehen. Der Präsident müsse sich nun persönlich und nicht nur über seine Anwälte erklären.

Bei der Staatsanwaltschaft Hannover gingen derweil zahlreiche Strafanzeigen von Bürgern gegen Wulff ein. Ein Sprecher bestätigte am Mittwochnachmittag den Eingang von bis dahin neun Anzeigen. Diese würden nun "auf ihren tatsächlichen und rechtlichen Gehalt geprüft". Ein förmliches Ermittlungsverfahren gebe es nicht.

Durch die Affäre leidet Wulffs Ansehen beim Bürger. In einer Forsa-Umfrage für den "Stern" bestätigten dies 31 Prozent, für 63 Prozent hat sich aber nichts geändert. Einen Rücktritt lehnten 79 Prozent ab. (afp)