Berlin. . Christian Lindners Rücktritt als Generalsekretär versetzt FDP-Parteichef Philipp Rösler einen schweren Schlag. Er versucht, das Heft wieder in die Hand zu nehmen, doch die Liberalen befinden sich im Überlebenskampf. Gerhart Baum fordert den Rücktritt der gesamten FDP-Führung.

Knapp zwei Minuten Zeit nimmt sich Christian Lindner. Zwei Minuten, um zu danken, Rückschau zu halten, zu sagen, was bei solchen ­Anlässen zu sagen ist. Zwei Minuten, die mehr Fragen ­aufwerfen als beantworten. Zurück bleibt eine Partei in Verwirrung. Was soll man davon halten, wenn ein 32-Jähriger, der eben noch mit Eifer bei der Sache schien, meint, „seinen Platz frei machen“ zu müssen, „um eine neue Dynamik zu ermöglichen“? Der dem Parteichef die Gelegenheit verschaffen will, „die wichtige Bundestagswahl 2013 mit einem neuen Generalsekretär vorzube­reiten“, also „auch mit neuen Impulsen“?

Der dabei zugleich deutlich macht, dass dieser Rücktritt ­alles andere als ein Abschied ist. Er werde „weiter aus Überzeugung für den politischen Liberalismus kämpfen“, verspricht Lindner. Und sagt zum Schluss: „Auf Wiedersehen.“ Den Hauch eines Lächelns um die Lippen.

Ist es so, wie der politische Gegner mutmaßt? „Herr Lindner ist ein Bauernopfer, um Herrn Rösler noch ein paar Tage im Amt zu halten“, meint SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Mit dem Rücktritt übernehme er die Verantwortung für die organisatorischen Mängel, das „Desaster“, beim Mitgliederentscheid über die Euro-Rettung, „ohne dass die Mitschuld des Parteivorsitzenden Rösler dadurch beiseite ­geräumt wäre“. Ist es so?

Hirsch gibt sich ahnungslos

Wenn das einer wissen müsste, dann Burkhard Hirsch, der seit Tagen an den Organisatoren dieses Mitgliederentscheids kein gutes Haar lässt. Doch Hirsch gibt sich ­ahnungslos. Betont nur, dass sich seine Kritik auf keinen Fall gegen den Generalsekretär der Bundespartei gerichtet habe, viel eher schon gegen seinen Landeschef ­Daniel Bahr. Im übrigen seien die Stimmen nicht einmal ausgezählt: „Man kann nicht die Konsequenzen ziehen aus einer Sache, deren Ergebnis man nicht kennt.“

Von Fassungslosigkeit ist die Rede. Die NRW-Liberale Ulrike Flach seufzt: „Wir sind ja in harten Zeiten.“ Lindner sei ein „exzellenter Intellektu­eller“, indes: „Wir sind in ­Zeiten, wo gerade diese ­Charakteristiken nicht an erster Stelle benötigt werden. Wir brauchen einen, der für uns kämpft bis zum Umfallen.“

Zwei Stunden nach Lindner steht Parteichef Philipp Rösler im Foyer des Thomas-Dehler-Hauses. „Jetzt werden wir nach vorne schauen“, sagt er. Spricht von „Mut“ und „Zuversicht“, gibt sich „fest davon überzeugt“. Kündigt an, Lindners Nachfolger am Freitag zu präsentieren. Dieser Freitag droht ein fatales Datum zu werden für den FDP-Chef. Das Ergebnis des Mitgliederentscheids ist mitzuteilen, und dass sich unter den abgegebenen Stimmen eine Mehrheit von Gegnern der Euro-Rettung findet, gilt als wahrscheinlich.

Döring als Nachfolger

Rösler versucht, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu nehmen. Noch am Abend stellte er den bisherigen Bundesschatzmeister Patrick Döring auf einer Pressekonferenz als Nachfolger von Lindner vor. Der 38-Jährige Döring ist erst seit dem Parteitag im Mai Bundesschatzmeister der Liberalen; seine politische Karriere hat er wie Rösler in Niedersachsen begonnen.

Lindner hat gerne vom „liberalen Dreisprung“ geredet, mit dem sich die FDP aus dem Tief befördert: Zunächst der Abstimmungssieg über die Euro-Skeptiker. Dann das Dreikönigstreffen, „wo wir unsere Fahne neu ­hissen“. Schließlich ein Triumph bei der Wahl in Schleswig-Holstein im Mai. Jetzt ist die Strecke von langen Schatten verdüstert.

Vom Starnberger See ­meldet sich Gerhart Baum und verlangt den Rücktritt der gesamten FDP-Führung: „Die Partei ist in einer Lebens­gefahr wie noch nie zuvor, und das macht radikale Entscheidungen notwendig.“ Seinem alten Mitstreiter Hirsch entlockt die Frage, wie es weitergehen soll mit der FDP, nur noch ein trockenes Lachen: „Wie sagen in Nordrhein-Westfalen die Bergleute? Vor der Hacke ist es duster.“