Moskau. . Mit zunehmender Härte geht die russische Polizei gegen Demonstranten vor, die ihrem Ärger über Wahlmanipulationen Luft machen. Und doch erwarten Beobachter, dass sich die Demonstrationen zum Volksaufstand auswachsen könnten.

Russlands Staatsgewalt wird zusehends gewalttätig gegen die Opposition. Eine neue Eskalation droht, wenn in den nächsten Tagen weitere Massenproteste anstehen.

Bei einer Demonstration auf dem Moskauer Triumphplatz nahm die Polizei am Dienstagabend 560 Teilnehmer fest. Etwa 1500 Moskauer hatten dort gegen Manipulationen bei den Duma-Wahlen protestiert. Viele Festgenommene wurden in Polizeibussen blutig geprügelt. „Einer der Polizisten stellte mir den Fuß auf die Brust, einer trat mir auf die Beine und begann zu springen“, so ein Reporter der Zeitung Kommersant. „Mit soviel demonstrativer Brutalität hat die Staatsmacht seit 20 Jahren nicht zugeschlagen“, sagte der Menschenrechtler Jewgeni Ichlow. „Insgesamt sitzen jetzt etwa 1000 Demonstranten hinter Gittern, oft ohne Nahrung.“ Rechtsanwälte würden vielen Gefangenen verweigert.

Neue Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten sind für Samstag zu befürchten. Dann will die Opposition wieder landesweit auf die Straße gehen. Die Behörden haben in Moskau eine Kundgebung von 300 Menschen genehmigt. Aber nach Schätzungen der Zeitung Wedomisti haben schon gestern 15 000 Moskauer im Internet ihre Teilnahme angekündigt.

„Stimmung ist gekippt“

Die Öffentlichkeit diskutiert, ob der Unmut über die offensichtlichen Fälschungen bei den Wahlen, bei denen die Partei von Regierungschef Putin gesiegt hatte, in eine Revolution ausufern könnte. In der Internetzeitung „gazeta.ru“ heißt es: „Offenbar ist die Stimmung gekippt, und alles hat gerade erst angefangen.“ Ein Aufstand sei möglich, meint der Politologe Boris Meschujew. „Gestern gingen 10 000 auf die Straße, morgen mögen es 20 000 sein, übermorgen 30 000.“

Der sowjetische Ex-Präsident Gorbatschow fordert angesicht der Manipulationsvorwürfe, die Wahl zu annulieren und wiederholen zu lassen.