Moskau. . Herbe Verluste für die Partei von Ministerpräsident Wladimir Putin bei der Parlamentswahl in Russland: Seine Partei bleibt zwar stärkste Kraft, fällt aber unter 50 Prozent. Die Abstimmung am Sonntag wurde von Manipulationsvorwürfen begleitet.

Die Partei von Ministerpräsident Wladimir Putin bleibt nach der Parlamentswahl ersten Ergebnissen zufolge stärkste Kraft in Russland, verliert aber ihre Zweidrittelmehrheit und fällt unter 50 Prozent. Das geht aus zwei separaten Wählernachfragen hervor, die von dem ersten offiziellen Zwischenstand nach Auszählung von 15 Prozent der Stimmen vorerst bestätigt wurden.

Amtlichen Angaben zufolge lag Einiges Russland demnach bei 46 Prozent - 18 Prozent unter dem Wahlergebnis von 2007, als die Kreml-Partei auf 64 Prozent kam und somit in der Duma mit Zweidrittelmehrheit regieren konnte. In der Nachfrage des Meinungsforschungsinstituts VZsiOM kam Einiges Russland auf 48,5 Prozent, in der des Instituts FOM auf 46 Prozent. Sie lag damit aber noch immer weit vor der zweitstärksten Partei, den Kommunisten mit fast 20 Prozent. Die Wählernachfragen wurden von staatlichen Fernsehsendern, Kanal Eins und Rossija, veröffentlicht.

Die Abstimmung am Sonntag wurde von Manipulationsvorwürfen begleitet. Der Vorsitzende der Kommunistischen Partei, Gennadi Sjuganow, sagte, Beobachter seiner Organisation hätten in Moskau eine mit 300 Stimmzetteln gefüllte Wahlurne entdeckt, bevor die Wahllokale überhaupt geöffnet hätten.

Von Manipulationen betroffen seien insbesondere Briefwahlstimmen

Sjuganow sagte, ähnliche Zwischenfälle mit präparierten Wahlurnen hätten KP-Beobachter aus Rostow am Don und anderen Städten. In Krasnodar seien vor Wahllokalen Leute aufgetaucht, die sich als KP-Beobachter ausgegeben hätten. Die wirklichen KP-Beobachter seien dann nicht mehr zugelassen worden. Aus Wladiwostok berichteten Wähler, dass die Regierungspartei Einiges Russland kostenloses Essen gegen das Versprechen angeboten hätten, für sie zu stimmen.

Die einzige unabhängige russische Wahlbeobachtergruppe Golos berichtete, in der Wolga-Stadt Samara seien Beobachter und Mitglieder der Wahlkommission, die Oppositionsparteien angehören, daran gehindert worden, die Versiegelung von Wahlurnen zu überprüfen.

Von Manipulationen betroffen seien insbesondere Briefwahlstimmen. Golos-Direktorin Lilija Schibanowa sagte, Personen mit Briewahlunterlagen seien mit Bussen zu mehreren Wahllokalen gefahren worden. In einem Zwischenbericht der Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hieß es: „Die meisten Parteien haben einen Mangel an Vertrauen in die Fairness des Wahlprozesses ausgedrückt.“

Nur sieben Parteien zugelassen

Die Kreml-kritischsten Oppositionsparteien durften keine Kandidaten ins Rennen schicken, insgesamt wurden nur von sieben Parteien Kandidaten zugelassen. Laut einer vor rund einer Woche veröffentlichten Umfrage des unabhängigen Meinungsforschungsinstituts Lewada musste Putins Partei mit elf Prozentpunkten Verlust rechnen. Offenbar schlug eine Unzufriedenheit mit Putins Auftreten als starker Mann, Korruption in den Behörden und der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich stärker durch.

Unabhängige Wahlbeobachter der Nichtregierungsorganisation Golos dokumentierten mehr als 5.300 Wählerbeschwerden, die sich zumeist auf Einiges Russland beziehen.

Hacker legen regierungskritische Webseiten lahm

Am Wahltag waren die Webseiten des unabhängigen Rundfunksenders Echo Moskwi und Golos nicht erreichbar. „Der Angriff auf die Seite am Wahltag steht offensichtlich in Zusammenhang mit Versuchen, die Veröffentlichung von Informationen über Verstöße zu behindern“, twitterte der Chefredakteur des Moskauer Echos, Alexej Wenediktow.

Putin braucht einen Erfolg bei der Parlamentswahl, um den Weg für seine Rückkehr ins Präsidentenamt zu ebnen. 2008 musste Putin laut Verfassung nach zwei Amtszeiten als Präsident zurücktreten. Gleichzeitig installierte er Medwedew als Nachfolger, der in einem viel kritisierten Postentausch nun als Spitzenkandidat für die Regierungspartei in die Parlamentswahlen zog und nach den Präsidentschaftswahlen am 4. März 2012 wieder Regierungschef werden soll. Putin warf westlichen Regierungen am Sonntag vor, sich in die Wahlen einmischen zu wollen. (dapd)