Berlin. Der Bundesrechnungshof hat das Krisenmanagement von Bund und Ländern bei Lebensmittelskandalen scharf kritisiert. Die Rechnungsprüfer warfen den Behörden vor, schlecht zusammenzuarbeiten und uneinheitliche Informationen zu verbreiten. Ein “nationaler Krisenstab“ sei die bessere Lösung.
Das Krisenmanagement bei Lebensmittel-Skandalen wie der Dioxin- oder der EHEC-Krise ist nach Ansicht des Bundesrechnungshofs mangelhaft. Die Reaktion von Bund und Ländern habe "systemimmanente Schwächen", heißt es in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht. Rechnungshof-Präsident Dieter Engels fordert, in Krisensituationen mehr Kompetenzen auf die Bundesebene zu verlegen und die Kontrollen vor Ort zu vereinheitlichen.
Das Gutachten des Rechnungshofs hatte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) nach der Dioxin-Krise angefordert. Bei dem Skandal Anfang 2011 waren belastete Industriefette in Futtermittel gelangt, wodurch Eier und Schweinefleisch mit Dioxin verseucht wurden. Während ihrer Untersuchungen konnten die Prüfer die EHEC-Krise im Frühsommer unter die Lupe nehmen, bei der Bockshornklee-Samen mit dem lebensbedrohlichen Darmkeim EHEC infiziert waren. Tausende Menschen in Deutschland erkrankten daran, 50 Patienten starben.
Über 400 Behörden für Überwachung von Lebens- und Futtermitteln zuständig
Der Rechnungshof kritisiert in seinem Bericht, "mehr als 400 verschiedene Behörden" seien für das Überwachen von Lebens- und Futtermitteln zuständig. Allein die Bundesländer dürften operative Maßnahmen ergreifen, bundesweites Handeln setzten die Zustimmung aller betroffenen Länder voraus. "Notfallpläne der Länder bestehen nebeneinander und sehen keine verbindliche Zusammenarbeit vor", kritisieren die Prüfer. "Wesentliche Lücken" müssten nun durch "bundeseinheitliche Vorgaben" geschlossen werden. Bislang mache der Bund zudem nicht so viel, wie er könnte.
Der Rechnungshof will daher an zwei Stellen ansetzen: bei den regulären Kontrollen in Betrieben sowie beim Management aktueller Krisen. Für die Kontrollen sind häufig die Kommunen zuständig, die nach Ansicht des Rechnungshofs aber dringend entlastet werden müssten. Notwendig seien hier an der Seite der Behörden "schlagkräftige interdisziplinäre Kontrolleinheiten".
Rechnungshof fordert Einrichtung eines nationalen Krisenstabs
Für den Fall neuer Krisen müsse das nationale Krisenmanagement neu gestaltet werden - und zwar verbindlich, erklärte der Rechnungshof. Der Bund müsse dabei "kraft seiner gesamtstaatlichen Verantwortung die Leitung haben". "Kernelement" des Krisenmanagements sollte nach Ansicht des Rechnungshofs ein "nationaler Krisenstab" sein. Dieser müsse "mit allen erforderlichen Kompetenzen ausgestattet" werden und den Bundesländern Anweisungen erteilen dürfen. Außerdem soll es seine Aufgabe sein, die Verbraucher über die Erkenntnisse über die und das Vorgehen der Behörden zu informieren.
Verbraucherschutzministerin Aigner versprach am Dienstag, die Strukturen der Lebensmittel-Überwachung auf den Prüfstand zu stellen. Eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern solle die Kritik auswerten und die nötigen Schlussfolgerungen prüfen. "Es muss sich etwas ändern. Wir brauchen mehr Transparenz und wir brauchen auch mehr Effizienz", sagte die Ministerin.
Stehen soll eine Einigung nach Aigners Worten bis zur nächsten Konferenz der Verbraucherschutzminister von Bund und Ländern im September 2012. Sollte dies nicht gelingen, "dann wird es eine öffentliche Diskussion geben", sagte Aigner. Kritik an dieser Haltung übte die SPD: Die Ministerin dürfe "sich nicht wieder hinter den Ländern verstecken, sondern muss rasch eigene Vorschläge" vorlegen, erklärte die verbraucherpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Elvira Drobinski-Weiß.