Düsseldorf. Haushaltszoff in Hannelore Krafts rot-grüner Koalition: SPD und Grüne sind Partner, aber jetzt werfen sie sich gegenseitig vor, nicht genug zu sparen.
Das Wort „Streit“ ist im offiziellen rot-grünen Sprachgebrauch in NRW nicht vorgesehen. Zu tief sitzt das Trauma der 90er-Jahre, als SPD und Grüne ihre Gegensätze zelebrierten und Schlagzeilen als „Streitkoalition“ machten. Die fragile Minderheitsregierung bemüht sich – bisher durchaus mit Erfolg – nach außen um ein harmonisches Erscheinungsbild. Doch das öffentliche Spardiktat und verschärfter Konsolidierungsdruck im Etat sorgen jetzt für Zoff, der sich nicht mehr verbergen lässt.
Dass Regierungschefin Hannelore Kraft (SPD) am Dienstagabend mit nicht weniger als 100 Minuten Verspätung beim NRW-Unternehmertag eintraf, wo sie die Festrede halten sollte, hatte kabinettsinterne Gründe. In der Runde hatten sich rote und grüne Minister zuvor eine zweieinhalbstündige Kontroverse um die Finanzplanung des Landes bis 2015 geliefert. Während Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) das Thema abräumen wollte, klagten die Grünen über lückenhafte Information im Vorfeld der Sitzung. Sie wollten den Beschluss um eine Woche verschieben.
Ministerin Schäfer wird allmählich zur Zielscheibe
„Wir haben die mittelfristige Finanzplanung auf den Weg gebracht“, berichtete Kraft hinterher den Unternehmern, „da lohnte sich die Diskussion.“ Eine gelinde Untertreibung. Tatsächlich störten sich grüne Minister an wachsenden Einzeletats gleich mehrerer SPD-Minister – wie Guntram Schneider (Arbeit) oder Svenja Schulze (Wissenschaft). In erster Linie aber zielte ihre Kritik auf Mehrausgaben von Familienministerin Ute Schäfer, die sich allmählich zur bevorzugten Zielscheibe des grünen Koalitionspartners entwickelt.
Die SPD-Version geht anders: Schäfer benötige das Geld, um mehr Plätze für Kleinkinder in den Kitas zu bezahlen. Die Grünen seien es, die im Kabinett mit Blick auf kräftig sprudelnde Steuern – NRW kalkuliert bis 2015 mit einem Plus von 8,1 Milliarden Euro – die Sparvorgaben des Finanzministers infrage gestellt hätten. Außerdem hätten sie vorgeschlagen, geplante Minderausgaben (allein eine Milliarde Euro für 2013) zu reduzieren und die Lücke mit Steuergeld zu schließen. Dies würde aber die Ziele der Schuldenbremse im Jahr 2020 gefährden, warnt die SPD.
Nicht nur die Opposition pflegt das Bild von der Schuldenkönigin
Hier liegt der wunde Punkt von Rot-Grün: Jeder sieht sich neuerdings als der bessere Finanzhüter. Die SPD ärgert zunehmend, dass sich Grüne öffentlich „gern als Sparkommissare präsentieren“, wie es ein Genosse formuliert, während sie im kleinen Kreis lieber von erklärten Sparzielen der Koalition abrücken wollten. Die CDU-Opposition lädt ihre Vorwürfe unsolider Haushaltsführung ohnehin fast exklusiv bei Kraft als „Schuldenkönigin“ ab. Nicht zuletzt für sie wird das Erreichen der Schuldenbremse zum Maßstab politischer Glaubwürdigkeit.