Heiligenhaus. .

Dr. Wilhelm Droste begleitet die Klage der CDU gegen den NRW-Haushalt als Justiziar. Im Interview mit WAZ-Redakteurin Monique de Cleur erklärt der für Heiligenhaus zuständige Landtagsabgeordnete, warum weniger Geld besser für NRW ist.

Was ist das Ziel der Klage? Was hat das Land, was hat der Bürger davon?

Dr. Wilhelm Droste: Die Landesregierung überschreitet in diesem Jahr erneut die Grenze, bis zu der das Land seinen Haushalt durch Einnahmen aus Krediten ausgleichen darf. Die Grenze liegt bei 3,9 Milliarden Euro, die Regierung beabsichtigt Kredite in Höhe von 4,8 Milliarden Euro. Das wollen wir verhindern.

Ein Blick nach Amerika oder Griechenland gibt uns Recht: Diese Länder sind aufgrund ihrer maßlosen Schuldenpolitik nahezu handlungsunfähig. Durch die Krisen in Griechenland, Irland, Spanien und Portugal sind tausende Arbeitsplätze gefährdet. Jeder, sowohl der Bund als auch die einzelnen Länder, sollte angesichts dieser Lage aufgefordert sein zu sparen. Deutschland wird eine Schuldengrenze im Grundgesetz verankern, die auch auf die Bundesländer ausgeweitet wird. Wenn wir die heute schon hätten, wäre sie jetzt schon rettungslos überschritten.

Was hat sich durch die Ablehnung des Nachtragshaushalts 2010 geändert?

Durch den Erfolg unserer Klage gegen den Nachtragshaushalt 2010 wurden Kreditaufnahmen der Landesregierung in Höhe von circa 1,8 Milliarden Euro gestoppt.

Im Herbst wird die Verschuldungsgrenze vermutlich überschritten

Bis über die Klage entschieden ist, darf NRW neue Schulden anhäufen; Sie stellen keinen Antrag auf einstweilige Verfügung dagegen. Warum nicht?

Eine einstweilige Anordnung ergeht, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Im Vollzug des Haushalts 2011 besteht bis zum heutigen Tag auch aufgrund der sprudelnden Steuermehreinnahmen kein Bedarf, Kredite über der Regelverschuldungsgrenze von 3,922 Milliarden Euro aufzunehmen. Eine Überschreitung dieser Grenze wird voraussichtlich erst im Herbst mit den Konsolidierungshilfen für die Kommunen stattfinden. Zudem liegt die Sachlage anders als bei der einstweiligen Anordnung zum Nachtragshaushalt 2010: Es verbleiben noch fünf Monate bis zum regulären Vollzug, so dass eine gebotene Dringlichkeit nicht vorliegt. Sollte die Verschuldungsgrenze gerissen werden, beantragen wir natürlich auch sofort die einstweilige Verfügung.

Dr. Wilhelm Droste. Foto: Fritz Baum/WAZ FotoPool
Dr. Wilhelm Droste. Foto: Fritz Baum/WAZ FotoPool © WAZ

NRW darf mehr Kredite aufnehmen als Investitionen tätigen, wenn eine „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ gegeben ist. Wie definieren Sie diesen Begriff?

Das wirtschaftliche Gleichgewicht wird anhand von vier Teilzielen beurteilt: Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und Wirtschaftswachstum. Wir befinden uns momentan aber nicht in einer Störungslage, sondern in einem nie dagewesenen wirtschaftlichen Aufschwung. 2011 wird für Nordrhein-Westfalen voraussichtlich das steuerstärkste Jahr in der Geschichte des Landes. Wir hatten noch nie so viele Menschen in Lohn und Brot wie zur Stunde, noch nie so viele Exporte. Die Preise laufen nicht aus dem Ruder, wenn man mal von den Benzinpreisen absieht. Die Auftragsbücher der Unternehmen sind voll: Versuchen Sie heute mal kurzfristig, einen Handwerker zu bekommen.

Studiengebühren wieder einführen

NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans will mit neuen Krediten „in Kinder, Bildung und Vorbeugung investieren“. Was hat die CDU dagegen?

Es war auch immer die Politik der CDU, in Bildung und Kinder zu investieren. Allein in der Regierungszeit zwischen 2005 und 2010 wurden 2,1 Milliarden Euro in Kinder investiert und 90 000 neue Kitaplätze geschaffen. Diese Politik muss selbstverständlich fortgesetzt werden. Jedoch ist es im Hinblick auf die Generationengerechtigkeit unverantwortlich, diese Investitionen durch Kredite zu finanzieren. Wir dürfen nicht auf Kosten unserer Kinder und Kindeskinder Schulden machen. Für diese Investitionen braucht man den Mut und die Entschlossenheit, an anderer Stelle zu sparen.

Wo, zum Beispiel?

Ich weiß, dass das sehr unpopulär ist, aber die Abschaffung der Studiengebühren halte ich für falsch vor dem Hintergrund, dass der überwiegende Teil der Studierenden aus besserverdienenden Familien kommt. Mein Bruder Michael zum Beispiel ist Konditormeister. Die Kosten dafür musste er selber tragen. Hat schon einmal jemand danach gefragt, wer solche Ausbildungskosten ersetzt? Ein anderer Ansatzpunkt sind die Sonderbeauftragten der Arbeitsämter, um Frauen wieder einzugliedern, die längere Zeit nicht im Beruf waren. Die SPD hat solche Regionalstellen mit großem Verwaltungsaufwand wieder eingeführt, obwohl sie laut den Arbeitsagenturen absolut ineffektiv sind. Hier lässt sich Geld sparen.

Entscheidung des Gerichts bindet auch Folgeregierungen

Angenommen, die CDU gewinnt die Klage. Wie geht es dann weiter?

Wenn wir die Klage gewinnen, stellt das Gericht fest, dass keine Störungslage in Nordrhein-Westfalen vorliegt und somit die Kreditobergrenze nicht überschritten werden darf. Dann muss die Landesregierung endlich sparen. Aber dann wird die Linke der Regierung sofort jede Toleranz entziehen. Deshalb ist eigentlich nur eine große Koalition vernünftig. Übrigens wäre auch die, wie jede Folgeregierung, an das gebunden, was wir heute vor dem Verfassungsgericht erreichen.

Die Neuwahl-Forderungen der CDU sind aber vom Tisch. Sind die Umfragewerte zu schlecht? Die derzeitige Minderheitsregierung aus SPD und Grünen käme laut einer aktuellen Forsa-Umfrage auf 54 Prozent – eine absolute Mehrheit.

In der Bevölkerung gibt es kein Verständnis für einen vorzeitigen Urnengang. Die Bürger haben gewählt und sehen nun die gewählten Politiker in der Pflicht. Zudem wäre es im Moment – nach der Energiewende, der furchtbaren Katastrophe in Japan, der Euro-Krise sowie den Ereignisse in Norwegen – kaum möglich, einen Landtagswahlkampf mit landespolitischen Themen zu führen. Und das bei 20 bis 30 Millionen Euro Kosten für eine Landtagswahl.

NRW muss Schulden abbauen

Angenommen, die CDU verliert die Klage. Wie geht es dann weiter?

Dann stellt das Gericht fest, dass wir uns in einer Störungslage befinden und ermöglicht es der Landesregierung, weitere Kredite aufzunehmen. Dieses Ergebnis kann ich mir indes nicht vorstellen.

Kann NRW sich überhaupt noch aus eigener Kraft sanieren? Wo soll das nötige Geld ohne neue Kredite herkommen?

Das Land Nordrhein-Westfalen muss den Mut und die Entschlossenheit haben, alle Ausgaben, die nicht unbedingt und zwingend erforderlich sind, einzusparen. Dabei muss das Land wie ein privater Haushalt handeln, der sich auch nicht unbegrenzt verschulden darf. Gerade in konjunkturell starken Zeiten, wie im Moment, müssen Schulden abgebaut werden.