Brüssel. Giorgos Papandreou ist weg, Silvio Berlusconi fast. Doch das sind nur die letzten beiden Opfer der Schuldenkrise. Insgesamt sieben europäische Regierungschefs hat die Krise schon den Job gekostet. Einige kamen der fälligen Abwahl nur noch durch einen sofortigen Rücktritt zuvor, andere opferten sich geradezu für die Euro-Rettung.
Berlusconi und Papandreou sind nur die jüngsten Opfer in einer mittlerweile beachtlichen schwarzen Serie: In Europa hat die Finanz- und Schuldenkrise schon in sieben Ländern die Regierungschefs das Amt gekostet. Der Spanier Zapatero wäre wohl der nächste gewesen, doch er tritt bei den Wahlen am übernächsten Wochenende gar nicht mehr an. Und auch für den französischen Präsidenten Sarkozy, der sich noch nicht offiziell für eine zweite Amtszeit beworben hat, stehen die Aussichten nicht gut. Hier ein Überblick, wer bislang auf der Walstatt geblieben ist.
Geir Haarde - Island
Es waren nicht die Staatschulden, sondern ein absurd aufgeblasener Bankensektor, der im Gefolge der Lehman-Krise 2008 zusammenbrach und den nordatlantischen Inselstaat in den Bankrott trieb Der Volkszorn der 300.000 Isländer richtete sich vor allem gegen Ministerpräsident Geir Haarde. Schon im Oktober gingen die Leute auf die Straße. Ende Januar 2009 sah sich der konservative frühere Finanz- und Außenminister zum Rücktritt genötigt. Damit war die Sache aber für die Isländer noch längst nicht erledigt. Seit letztem September muss sich Haarde vor dem Landsdomur verantworten, einem Sonder-Gerichtshof für Regierungsmitglieder, das erstmals seit 1905 einberufen wurde. Das Parlament hatte mit knapper Mehrheit beschlossen, den Ex-Premier wegen Fahrlässigkeit anzuklagen. Er beteuert seine Unschuld.
Brian Cowen - Irland
Auch für Brian Cowen, irischer Taoiseach (Premier) von 2008 bis zum März dieses Jahres, gilt: Die Banken waren sein Schicksal. Deren Kredite hatten einen abenteuerlichen Immobilienboom finanziert. Die Blase platzte und die Regierung paukte die Banken raus, womit die Staatskasse heftig überfordert war. Ende 2010 musste Cowen Nothilfe der EU und des IWF annehmen – gegen bittere Sparauflagen. Das Ansehen des Regierungschefs sank ins Bodenlose. Erst verlor er den Vorsitz seine Fianna-Fail-Partei, dann den Koalitionspartner, dann das Amt. Einen Titel, verliehen vom Irish Independent, hat er aber noch: “Schlechtester Taoiseach aller Zeiten”.
José Sócrates – Portugal
Nach langem Drängen der Europäer bat das verschuldete Portugal im April um Notkredite. Zuvor hatte das Parlament das vierte Sparpaket des damaligen Ministerpräsidenten José Sócrates abgelehnt. Der Sozialist reichte seinen Rücktritt ein. Die Wahlen im Juni gerieten zum Debakel für die Sozialisten. Die konservative Opposition gewann, seither ist Pedro Passos Coelho Regierungschef. Er behielt den Sparkurs bei, den EU und IWF Portugal im Gegenzug für die Notkredite bis 2014 auferlegten. Portugal streicht Staatsausgaben und modernisiert seine Wirtschaft.
Ivars Godmanis - Lettland
Den baltischen Staat trafen die Folgen der Weltfinanzkrise hart. 2008 wendete Lettland die Pleite nur mit Hilfe von außen ab: Der IWF, die EU und Nachbarländer gewährten Notkredite. Der Staat sparte dafür kräftig. Vielen Letten demonstrierten gegen die zerstrittene Koalitions-Regierung. Schließlich trat Regierungschef Ivars Godmanis Anfang 2009 zurück. Die anschließenden Wahlen gewannen wieder die Mitte-Rechts-Parteien, seither ist aber Valdis Dombrovskis Regierungschef. Mit einem strikten Sparkurs stemmte er sich gegen die Krise – und wurde 2010 wiedergewählt.
Iveta Radicova – Slowakei
Die slowakische Ministerpräsidentin ist eine Art Jeanne D'Arc der großen Krise – sie hat sich selbst geopfert im Kampf für die gute Sache. Persönlich hat sie mit den Turbulenzen an den Märkten nichts zu tun, und auch ihr Land hat sich in den schweren Zeiten wacker behauptet. Nur die Bereitschaft der Slowaken, den Nothilfe-Topf für andere aufzustocken, hat gelitten. Radicovas euroskeptischer Koalitionspartner wollte nicht mitmachen. Die Chefin erklärte, das kleine Land könne in dieser Existenzfrage nicht allein gegen alle spielen. Das kostete sie die parlamentarische Basis. Im März gibt es Neuwahlen, bis dahin ist Radicova noch geschäftsführend im Amt – Wiederkehr nicht ausgeschlossen.
Giorgos Papandreou - Griechenland
Die bisherige Regierung unter Ministerpräsident Giorgos Papandreou – er entstammt einer griechischen Politiker-Dynastie - verlor vor anderthalb Jahren ihren vollen Handlungsspielraum. Seit Mai 2010 Jahren unterliegt der Schuldenstaat dem Spar- und Reform-Diktat der EU-Kommission und des Internationalen Währungsfonds IWF. Im Gegenzug gewähren sie dem pleitebedrohten Land jahrelang überlebenswichtige Notkredite über wohl 239 Milliarden Euro. Die Regierung kappt Sozialausgaben und Renten. Zehntausende Mitarbeiter im öffentlichen Dienst müssen gehen. Papandreou jetzt auch.
Silvio Berlusconi – Italien
Der skandalträchtige Ministerpräsident Silvio Berlusconi schmeißt hin. Der Politiker und Unternehmer, der bisher eher wegen seiner Freude an Frauen statt einer Vorliebe für Finanzen auffiel, will abtreten, wenn das Parlament die neuesten Spar- und Reformpläne billigt. Nach massivem Druck der Finanzmärkte und der Europäer sagte Berlusconi jüngst zu, dass Italien seine hohen Schulden abbauen und die verkrustete Wirtschaft aufpolieren werde. Berlusconi scheint schon länger regierungsmüde. In einem abgehörten Telefonat soll er vor einiger Zeit gesagt haben: „Ich verlasse dieses Scheißland, bei dem ich kotzen könnte.“