Madrid/Misrata. . War es Lynchjustiz? Mord? Oder starb Muammar Gaddafi bei einem Schusswechsel? Es gibt mehrere Versionen über den gewaltsamen Tod des Despoten. Menschenrechtsorganisationen fordern jetzt eine Untersuchung. Doch womöglich werden die genauen Umstände nie geklärt.
War es Lynchjustiz? Mord? Oder starb Muammar Gaddafi bei einem Schusswechsel? Es gibt mehrere Versionen über den gewaltsamen Tod des Despoten. Menschenrechtsorganisationen fordern jetzt eine Untersuchung. Doch womöglich werden die genauen Umstände nie geklärt.
Nur wenig lichtet sich bislang der Nebel, der das Ende des früheren libyschen Diktators umschleiert. Inzwischen scheint zumindest klar, dass Nato-Jets einen Fahrzeug-Konvoi, in dem Gaddafi mit seinen letzten Getreuen fliehen wollte, nahe der Stadt Sirte attackierten und stoppten; ein französischer Jet und eine unbemannte US-Drohne waren beteiligt.
Gaddafi flüchtete zu Fuß
Offenbar überlebte Gaddafi den Angriff auf den Konvoi. Zunächst konnte er wohl zu Fuß flüchten und versuchte, sich vor den anrückenden Rebellen zu verstecken. Mahmud Dschiibril, Chef der libyschen Übergangsregierung, berichtete, wo seine Truppen den geflohenen Ex-Diktator aufspürten: „Gaddafi wurde aus einem Abwasserrohr herausgezerrt. Er hat keinen Widerstand geleistet.“ Doch wie starb er?
Klar scheint, dass Gaddafi einen Kopfschuss erlitt. So jedenfalls die Diagnose eines Gerichtsmediziners. Von einem Querschläger ist die Rede. Doch ist dies die Wahrheit?
Verwackelte Videobilder, die von Rebellen mit Handykameras aufgenommen wurden, legen eine andere Version nahe. Die Bilder zeigen, wie ein verletzter und blutüberströmter Gaddafi von einem tobenden Mob gedemütigt wird: Er wird geschlagen, über die Straße geschleift, auf die Motorhaube eines Fahrzeuges gezogen, man sieht eine Pistole an seinem Kopf. Man hört auch Schüsse. Später ist zu erkennen, wie der offenbar leblose Körper umhergezerrt wird. Viele Rebellen wollen mit ihren Kameras Erinnerungsbilder machen.
Kein Beweis für ein Feuergefecht
Es habe keine Lynchjustiz, keine Hinrichtung gegeben, bemüht sich Mahmud Dschibril zu versichern: Gaddafi habe zunächst nur eine Schussverletzung „am rechten Arm“ gehabt. Er sei in ein Fahrzeug gebracht worden, das dann „in ein Kreuzfeuer zwischen Revolutionären und Gaddafi-Truppen geraten ist, dabei wurde er durch eine Kugel im Kopf getroffen“. Aus welcher Waffe die Todeskugel gefeuert worden war, sei nicht mehr zu klären. Belege für dieses Feuergefecht gibt es nicht. Auch die Bitte des Internationalen Strafgerichtshofes und der UN, die Todesursache zu untersuchen, wurde abgelehnt.
Allerdings: Die für gestern angesetzte Beisetzung Gaddafis wurde zunächst vom Übergangsrat verschoben. Eine öffentliche Bestattung soll es nicht geben, hieß es. Womöglich soll auch der Ort der Bestattung geheim gehalten werden. Die Übergangsregierung will unter allen Umständen vermeiden, dass sich eine Grabstätte Gaddafis zu einem Wallfahrtsort für seine Anhänger entwickelt. Andere Meldungen sprachen dagegen davon, der Übergangsrat wolle die Leiche an Gaddafis Heimatstamm Gaddafa zur Beisetzung übergeben.
„Das Ende Gaddafis war der Verdienst der Libyer“, betonte Frankreichs Verteidigungsminister Gerard Longuet. Aber ohne die Nato-Hilfe aus der Luft wäre Gaddafi womöglich entkommen. Nato-Überwachungsflugzeuge hatten „den Konvoi mit mehreren Dutzend Geländewagen gesichtet“, der versucht habe, die Linien der Rebellen zu durchbrechen, berichtete Longuet. Ein französischer Mirage-Jet habe mit Schüssen den Konvoi gestoppt, „aber nicht zerstört“.
Auch zwei Söhne tot
Die restliche Arbeit haben die Rebellen übernommen: Sie griffen den Konvoi mit Waffengewalt an. In der Fahrzeugkarawane befanden sich Muammar Gaddafi, seine beiden Söhne Mutassim und Saif al-Islam, die ihren Vater bis zuletzt unterstützt hatten und tragende Rollen im Unterdrückerregime hatten. Mutassim starb im Kugelhagel, das Schicksal von Saif al-Islam war gestern unklar.