Kairo. . Es sind viele unterschiedliche Gruppen, die Libyens Rebellen im Kampf gegen Gaddafi in den vergangenen Monaten in ihren Reihen vereint haben: Ex-Regierungsmitglieder, dem Westen zugeneigte Intellektuelle sowie ehemalige Islamisten.
Es sind viele unterschiedliche Gruppen, die Libyens Rebellen im Kampf gegen den Despoten in den vergangenen Monaten in ihren Reihen vereint haben. Da sind frühere Regierungsmitglieder, dem Westen zugeneigte Intellektuelle, Geschäftsleute sowie ehemalige Islamisten. Zusammengeführt hat sie ein Ziel: die Absetzung von Machthaber Muammar al Gaddafi.
Der Tod des langjährigen libyschen Machthabers Muammar Gaddafi wurde in Libyen und international mit Erleichterung aufgenommen. „Das ist ein historischer Moment. Es ist das Ende der Tyrannei und der Diktatur. Gaddafi hat sein Schicksal ereilt“, erklärte der Sprecher des übergangsrats, Abdel Hafes Ghoga. Nun sollen Gaddafis Gegner Libyen in die Demokratie führen.
Internationale Anerkennung gewannen die Aufständischen, als sie einen Übergangsrat bildeten, der die Demokratie unterstützt. Doch nachdem das Regime mit dem Tod Gaddafis endgültig überwunden scheint, stellt sich die Frage, ob die Opposition das geschundene Land übernehmen und auch erfolgreich führen kann.
Die Aufgabe, das Land nach mehr als sechs Monaten Bürgerkrieg und 42 Jahren Gaddafi-Herrschaft zusammenzuführen, ist erst recht schwierig, weil Libyen keine Erfahrung mit Wahlen und demokratischen Institutionen hat. Gaddafi führte das Land seinen Launen entsprechend und seiner eigenwilligen politischen Philosophie folgend. Zudem duldete er keinen Widerspruch.
Den Rebellen fehlt jegliche Grundlage
„Die Rebellen wollen ein mit sich selbst ausgesöhntes Libyen, das demokratisch ist - was immer das heißt“, sagt George Joffe, Libyen-Experte an der Universität Cambridge. „Allerdings ist nicht klar, wie sie das anstellen werden. Es gibt keinerlei Grundstrukturen, die sie nutzen können.“
Doch trotz der anfänglich zuweilen chaotischen Zustände führte die Rebellion zur Bildung eines Nationalen Übergangsrates. Dessen Mitglieder kommen aus jeder von den Rebellen gehaltenen Stadt und sind von örtlichen Räten ausgewählt. Angeführt wird der Übergangsrat bislang von Mustafa Dschalil, dem früheren Justizminister, der zu den ersten Kabinettsmitgliedern gehörte, die während des Aufstands vom Regime abfielen. Trotz seiner einstigen Zugehörigkeit zum Gaddafi-Regime genießt Dschalil unter den Rebellen Respekt. Als starker Führer oder dominante Persönlichkeit kann er dennoch nicht betrachtet werden.
Dschalil gehört einer Gruppe früherer Regierungsmitglieder an, die einen machtvollen Block im Übergangsrat darstellen. Dazu zählen der Vorsitzende des Gremiums, Mahmud Dschibril, ebenso wie der Chefdiplomat der Aufständischen, Ali al Essawi. Der an der Universität Pittsburgh ausgebildete Dschibril war unter anderem beim Entwurf einer ambitionierten Zukunftsvision beteiligt, die den Titel trägt: „Libyen 2025: Ein Blick voraus“. Darin kommt dem Staat eine beschränkte Rolle zu, es ist von freier Meinungsäußerung die Rede sowie einer Öffnung für den freien Markt.
Auch die Islamisten sind in der Bewegung vertreten
Doch die Bewegung hat auch die Unterstützung jener Libyer gesucht, die aus dem Exil zurückkehrten und sehr daran interessiert waren, eine Rolle beim Wiederaufbau des Landes zu spielen. Darunter auch Ali Tarhuni, ein gerne Klartext redender Wirtschaftsprofessor, der seinen Job an der Universität von Washington verließ, um Finanzminister im Kabinett der Rebellen zu werden.
Ihren Platz in den Reihen der Rebellen fanden auch die Islamisten, darunter frühere Mitglieder der Libyschen Islamischen Kampfgruppe (LIFG), eine radikalislamische Organisation, die Gaddafi entschieden Widerstand geleistet hat. So haben einige ranghohe Vertreter im Sicherheitsapparat sowie bei den Streitkräften der Rebellen Erfahrungen bei der LIFG gesammelt.
Unklar ist nach Meinung von Libyen-Experte Joffe die Beziehung zwischen dem Übergangsrat und der Minderheit der Berber in den im Westen gelegenen Nafusa-Gebirge, stellten doch die Berber die Speerspitze beim Vormarsch auf Tripolis. „Wir wissen nicht, ob sie bereit sind, die Führung durch den Rat zu akzeptieren“, sagt Joffe. „Es gibt Spannungen zwischen den Islamisten auf der einen Seite und den Exilanten auf der anderen, zudem gibt es Abspaltungen unter den Exilanten selbst. Es gibt momentan keinen offensichtlichen Anführer, und allein das ist ein Problem.“
Neue Regierung ohne Dschalil und Dschibril
Vor knapp drei Wochen hatte der Übergangsrat einige Mitglieder seines Kabinetts ausgewechselt und zugleich seinen baldmöglichen Rücktritt angekündigt. Der Vorsitzende des Nationalen Übergangsrats, Dschalil, und der De-facto-Regierungschef Dschibril erklärten damals in Bengasi, sie würden nur solange im Amt bleiben, bis Gaddafis Heimatstadt Sirte erobert sei.
Dschalil und Dschibril erklärten bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in der Rebellenhochburg Bengasi, sie hätten beide eine Zusage unterzeichnet, „sich in keiner Form an einer künftigen Regierung zu beteiligen“. Die Bemühungen um die Bildung eines neuen Kabinetts hatten sich zuvor wegen interner Streitigkeiten wochenlang verzögert. Dschibril wurde im Amt bestätigt, übernimmt aber gleichzeitig den Posten des Außenministers.
Ein neuer Nationaler Übergangsrat werde binnen eines Monats nach der Eroberung von Sirte benannt. Der Übergangsrat setzt die Kontrolle über die Gaddafi-Hochburg mit der Befreiung Libyens gleich, da mit der Eroberung der Küstenstadt die Sicherheit an den libyschen Grenzen gewährleistet sei.
Die Nato will am Freitag über ein Ende der Luftangriffe in Libyen beraten. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erklärte nach dem Tod des früheren libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi am Donnerstag, ein Ende des Einsatzes sei „sehr viel näher gerückt“. Eine Entscheidung werde gemeinsam mit den UN und dem libyschen Nationalen Übergangsrat gefällt. (dapd)