Sirte. . Der libysche Diktator Muammar el Gaddafi ist angeblich tot, doch sicher ist selbst das noch nicht. Angeblich war die Nato an dem Angriff auf Sirte, die Geburtstadt Gaddafis beteiligt. Schon Freitag soll über ein Ende der Mission debattiert werden.
Der gestürzte libysche Machthaber Muammar el Gaddafi ist nach Angaben des Nationalen Übergangsrates tot, aber die Umstände seines Todes bleiben zunächst unklar. Der neuen libyschen Führung zufolge wurde Gaddafi während der Gefechte um seine Heimatstadt Sirte getötet. Zuvor hatte ein Kommandeur erklärt, Gaddafi sei in Sirte gefangen genommen worden. „Er ist schwer verletzt, aber er atmet noch“, sagte Mohammed Leith.
Er habe ihn selbst gesehen, sagte Leith. Ihm zufolge trug Gaddafi eine khakifarbene Uniform und hatte einen Turban auf dem Kopf. In Sirte sagte ein Kämpfer der Truppen der neuen Führung, er sei bei der Festnahme dabei gewesen. Er habe dem gestürzten Machthaber einen goldenen Revolver abgenommen, sagte Mohammed Lahuaib Schaban einer AFP-Reporterin.
Foto zeigt verletzten oder getöten Gaddafi
In anderen Berichten hieß es, Flugzeuge der NATO hätten bei Sirte einen Fahrzeugkonvoi angegriffen und so die Gefangennahme Gaddafis ermöglicht, der aus Sirte habe fliehen wollen. Das Militärbündnis flog seit März quasi als Luftwaffe der Gaddafi-Gegner mehr als 26. 000 Lufteinsätze und zerstörte bei fast 10.000 Angriffsflügen wichtige Militärstellungen Gaddafis.
Internationale Medien verbreiteten ein mit einem Handy aufgenommenes Foto, auf dem Gaddafi offenbar schwer verletzt oder getötet zu sehen war. Arabische Fernsehsender kündigten Videoaufnahmen über Gaddafis Gefangennahme an. Die Authentizität der Aufnahmen konnte zunächst allerdings nicht bestätigt werden.
Der „Bruder Oberst“ meldete sich immer wieder zu Wort
Von Gaddafi hatte nach der Einnahme der Hauptstadt Tripolis durch die Kämpfer des Übergangsrats Ende August jede Spur gefehlt. Doch mit seinen Audio-Botschaften, die er über einen syrischen Fernsehsender verbreiten ließ, meldete sich der abgetauchte „Bruder Oberst“ immer wieder zu Wort. Darin rief er zum Widerstand bis zum bitteren Ende auf und kündigte an, mit seinen Getreuen bis zum Sieg zu kämpfen oder „als Märtyrer“ zu sterben.
Auch der Verbleib von Gaddafis engsten Vertrauten war unklar. Der Sender Libya lil Ahrar berichtete, außer Gaddafi seien auch sein Sohn Mutassim sowie der Chef der inneren Sicherheit, Mansur Dau, und Geheimdienstchef Abdallah el Senussi festgenommen worden. Der Kommandeur Leith sagte, Mutassim Gaddafi sei in Sirte „tot aufgefunden“ worden. Seine Leiche und die von Gaddafis früherem Verteidigungsminister Abu Baker Junis Dschabir seien mit einem Krankenwagen nach Misrata gebracht worden. Hartnäckig halten sich Gerüchte, der verletzte Muammar el Gaddafi sei auf dem Weg nach Misrata umgebracht worden.
Sirte war Gaddafis letzte Bastion
Vor dem Feldlazarett in Sirte springt der Arzt Abdu Rauf auf einen Pritschenwagen, wo aufgebrachte Kämpfer der neuen Führung einen leblosen Körper umringen. Es ist der des früheren Verteidigungsministers, dessen Gesicht blaue Farbspuren aufweist. Der Arzt nimmt den Puls des Mannes und bestätigt sein Ableben. Die Menge bricht in Jubel aus. Ein weiterer Menschenauflauf bildet sich um die Trage mit dem verletzten Dau. Der Mann in Uniform wird mit Videokameras gefilmt, beschimpft und geohrfeigt.
Vor dem Lazarett ringt ein Gaddafi-Kämpfer mit dem Tod. Seine rechte Hand ist abgerissen, auch sein Gesicht mit blauer Farbe bemalt. Ein Arzt wirft einen angewiderten Blick auf den blutigen Armstumpf und wirft eine grüne Stoffbahn über den Mann. „Gaddafi wollte wahrscheinlich seine Leute identifizieren können, daher die blaue Farbe“, sagt der Arzt Soleiman Rifadi.
In Sirte hatten die Gaddafi-Anhänger bis zuletzt erbitterten Widerstand geleistet. Am Donnerstag fiel Gaddafis Heimatstadt offenbar als letzte Bastion gegen die von der NATO unterstützte neue Führung. In der Nähe des Feldlazaretts in Sirte begrüßten Bewohner Gaddafis Gefangennahme mit Hupkonzerten und Freudenschüssen. Auch in Tripolis und in Bengasi wurde auf den Straßen gefeiert. Gaddafi, der das Schicksal seines Heimatlandes mehr als 40 Jahre lang bestimmte, gehört offenbar endgültig der Geschichte an.
NATO plant den Abzug
Nach dem Tod Gaddafis berät der NATO-Rat am Freitag über eine Ende der siebenmonatigen Luftangriffe in Libyen. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erklärte am Donnerstag, ein Ende des NATO-Einsatzes sei nun "sehr viel näher gerückt". Eine Entscheidung werde gemeinsam mit den UN und dem libyschen Nationalen Übergangsregierung gefällt.
Aus Diplomatenkreisen verlautete, beim Treffen am Freitag werde entschieden, wann und wie die Operation eingestellt werde. Wenn die NATO-Kommandeure befänden, dass eine Fortsetzung der Operation nicht länger vonnöten sei, könnten die Angriffe schon am Freitag oder Samstag eingestellt werden.
Rasmussen hatte mehrfach betont, das Bündnis stoppe die Luftangriffe auf die letzten Anhänger Gaddafis, sobald von ihnen keine Bedrohung mehr für die Zivilbevölkerung ausgehe. Mit weit mehr als tausend Angriffen auf Stellungen und Waffenlager von Gaddafis Streitkräften hatte die Militärallianz den Sieg der Rebellen gegen das Regime ermöglicht. (afp/dapd)