Tripolis. Der langjährige libysche Machthaber Muammar Gaddafi ist nach Angaben eines Sprechers der Übergangsregierung bei der Festnahme nahe seines Geburtsortes Sirte getötet worden. Der Übergangsrat verkündete am Donnerstag: “Das is das Ende der Tyrannei“.

Der frühere libysche Machthaber Muammar al Gaddafi ist am Donnerstag nach Angaben des Chefs der libyschen Übergangsregierung, Mahmud Dschibril, getötet worden. "Wir haben lange auf diesen Moment gewartet", erklärte er am Donnerstag vor Journalisten in Tripolis. Zuvor hatte Informationsminister Mahmud Shamman erklärt, Gaddafi sei bei den Kämpfen in seiner Heimatstadt Sirte am Donnerstag ums Leben gekommen. Dabei berief er sich auf Kämpfer, die den Leichnam gesehen hätten. "Er wurde auch in den Kopf getroffen", hieß es: "Seine Gruppe wurde heftig beschossen, und er starb."

Kämpfer des Übergangsrates nahmen die Stadt am Donnerstag ein. In der Vergangenheit hatten sich etliche Berichte über den Tod oder die Gefangennahme Gaddafis als falsch erwiesen. Der arabische TV-Sender Al-Dschasira strahlte ein Video aus, auf dem ein toter oder schwer verletzter Mann mit einer Kopfwunde zu sehen war, der Gaddafi ähnlich sah.

Gaddafi wurde "durch die Hände der Revolution getötet"

Derweil berichteten Vertreter der Übergangsregierung, dass auch Gaddafis Sohn Mo'Tassim von Kämpfern der neuen Führung erschossen worden sei. Gaddafis vor allem im Ausland bekannter Sohn Saif al-Islam sei auf der Flucht von Einheiten der Regierung eingekreist worden.

"Wir verkünden der Welt, dass Gaddafi durch die Hände der Revolution getötet wurde", erklärte der Sprecher der neuen libyschen Führung, Abdel Hafes Ghoga, in Bengasi. Gaddafis Tod sei von den Kommandeuren bestätigt worden, die den verletzten Gaddafi am Morgen in Sirte gefangen genommen hätten. "Das ist ein historischer Moment, es ist das Ende der Tyrannei und der Diktatur", fügte der Sprecher hinzu. "Gaddafi ist von seinem Schicksal heimgesucht worden."

In Konvoi von Nato-Kampfflugzeugen angegriffen

Sirte war nach Angaben der Übergangsregierung am Donnerstag erobert worden. Wie es hieß floh Gaddafi in einem Konvoi, der von der Nato angegriffen wurde. Gaddafis Militärchef Abu Bakr Junus Jabr sei ebenfalls getötet worden. Auch nach Angaben von Informationsminister Mahmud Schamman sei Gaddafi getötet worden. Kämpfer des Übergangsrates hätten die Leiche Gaddafis gesehen, sagte Schammam am Donnerstag.

Von anderer Seite wurden die Angaben über Gefangennahme und Tod Gaddafis zunächst nicht bestätigt. Man versuche, die Informationen zu verifizieren, erklärte ein hoher Vertreter des US-Regierung in Washington.

Kommandeur behauptet, Gaddafi sei verletzt aber am Leben

Unterdessen zitierte die Nachrichtenagentur AFP am Donnerstagmittag einen Kommandeur des Nationalen übergangsrats, der davon spricht, Gaddafi sei schwer verletzt, aber am Leben: "Er ist schwer verletzt, aber er atmet noch", sagte demnach Mohammed Leith. Auch der libysche TV-Sender Libya lil Ahrar berichtete, Gaddafi sei festgenommen worden, ein Gaddafi nahestehender Sender dementierte dies jedoch.

Er habe ihn selbst gesehen, sagte Leith. Ihm zufolge trug Gaddafi eine kakifarbene Uniform und hatte einen Turban auf dem Kopf. In Sirte sagte ein Kämpfer der Truppen der neuen Führung, er sei bei der Festnahme dabei gewesen. Er habe dem gestürzten Machthaber seine Waffe, einen goldenen Revolver, abgenommen, sagte Mohammed Lahuaib Tschaban. Ein mit einer Handykamera aufgenommenes Bild zeigte die Festnahme des verletzten Machthabers.

Auch Gaddafi-Sohn festgenommen

Libyens Machthaber Muammar Gaddafi soll auf der Flucht getötet worden sein. Dieses Handyfoto soll den Diktator nach dem Sturm auf seine Heimatstadt Sirte zeigen. (Foto: afp)
Libyens Machthaber Muammar Gaddafi soll auf der Flucht getötet worden sein. Dieses Handyfoto soll den Diktator nach dem Sturm auf seine Heimatstadt Sirte zeigen. (Foto: afp)

Gaddafi hatte das Land rund 42 Jahre lang regiert. Ende August hatten die Rebellen Tripolis eingenommen, seitdem war der Verbleib Gaddafis und seines engsten Umfeldes unklar. Von Gaddafi hatte nach der Einnahme der Hauptstadt Tripolis durch die Kämpfer des Übergangsrats Ende August jede Spur gefehlt. Doch mit seinen Audio-Botschaften, die er über einen syrischen Fernsehsender verbreiten ließ, meldete sich der abgetauchte "Bruder Oberst" immer wieder zu Wort. Darin rief Gaddafi zum Widerstand bis zum bitteren Ende auf und kündigte an, mit seinen Getreuen bis zum Sieg zu kämpfen oder "als Märtyrer" zu sterben.

Auch der Verbleib von Gaddafis engstem Umfeld war unklar. Der Sender Libya lil Ahrar berichtete, außer Gaddafi seien auch sein Sohn Muatassim sowie der Chef der inneren Sicherheit, Mansur Dau, und Geheimdienstchef Abdallah Senussi festgenommen worden. Der Kommandeur Leith sagte, Muatassim Gaddafi sei in Sirte "tot aufgefunden" worden. Seine Leiche und die von Gaddafis früherem Verteidigungsminister Abu Baker Junis Dschabir seien mit einem Krankenwagen nach Misrata gebracht worden.

Die Nato-Mission in Libyen: Mehr als 26.000 Lufteinsätze

Die Nato hat Ende März das Kommando über den internationalen Militäreinsatz in Libyen übernommen. Das Militärbündnis stützte sich dabei auf Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, die einen Einsatz zum Schutz der Zivilbevölkerung erlauben. De facto unterstützte die Allianz aber die Rebellen im Kampf gegen den langjährigen Machthaber Muammar Gaddafi, der nach Angaben eines Kommandeurs der neuen Führung am Donnerstag in seiner Heimatstadt Sirte gefasst wurde.

Unter dem Namen "Unified Protector" ("Vereinigte Schutzmacht") flog die Nato Luftangriffe auf Ziele am Boden, setzte eine Flugverbotszone über dem nordafrikanischen Land sowie ein Verbot von Waffenlieferungen über das Mittelmeer durch. Seit Ende März flog die Nato nach Angaben vom Donnerstag 26.089 Lufteinsätze, davon 9.618 Angriffsflüge. Nachdem an manchen Tagen zahlreiche militärische Ziele am Boden bombardiert wurden, meldete die Allianz in den vergangenen beiden Tagen keine bedeutenden Angriffe. Deutschland beteiligte sich nicht aktiv an dem Militäreinsatz der Nato. (afp/rtr/dapd)