Berlin. . Vom Wahl-Triumphator zum Minister auf Abruf. Guido Westerwelle wird auch von der FDP als Belastung empfunden. Der Gesichtsverlust erwischt ihn zu einem delikaten Zeitpunkt.

Der Himmel zieht sich zu, erste Tropfen fallen. An der Bootsanlagestelle am Weidendamm, dort wo die Spree zu einer Schleife ausholt, setzen die Diplomaten zur Krisenprävention an. Sie bewahren ihren Chef vor einem symbolträchtigen Bild: Guido Westerwelle im Regen. Eine Pressekonferenz wird ins Verbändehaus verlegt. Westerwelle entsteigt einem Ausflugsboot mit dem Kollegen Alain Juppé aus Paris. Es hätte tolle Bilder gegeben. Perdu.

13 TV-Kameras sind in Position, Fotografen drängeln, alle kämpfen um den besten Blick. Der Außenminister redet über Europa, die UN, Nahost. Dann wird um Fragen gebeten. Sekunden verstreichen, bis sich einer überwindet: Was er zu den Rücktrittsforderungen sage? Nichts. Natürlich. „Das hat mit unserem Gespräch nichts zu tun“, fügt er verkniffen hinzu.

Westerwelle ist Außenminister auf Bewährung

So endet nicht bloß ein Ausflug. So endet Westerwelles Versuch, „business as usual“ vorzuleben. Nichts ist normal. Westerwelle, schon in der Bonner Republik eine große Nummer, musste erleben, wie ihn zwei politische Frischlinge bloßstellten: Der Chef (Philipp Rösler) und der Generalsekretär (Christian Lindner) der FDP erzwangen öffentlich, dass er seine Position zu Libyen revidiert. Er redete von Sanktionen, von den Rebellen. Die FDP ist entsetzt ob der Rechthaberei, trotzt ihm einige Worte des Respekts, der Anerkennung für die Nato ab.

Seit dem Wochenende gilt er als Außenminister auf Bewährung, Rücktrittsgerüchte machen die Runde. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) fühlte sich verpflichtet, ihn in Schutz zu nehmen. Sie ließ ihren Sprecher erklären, was man in solchen Situationen zu sagen pflegt: Sie arbeite „vertrauensvoll“ mit ihm zusammen. „Sorgen macht sie sich nicht.“ Es sind die Floskeln, die man vom Fußball gewöhnt ist, wenn ein Trainer angezählt wird.

Gesichtsverlust zum delikaten Zeitpunkt

„Wer soll einen von den eigenen Leuten zurechtgestutzten Außenminister international eigentlich noch ernst nehmen?“, fragt SPD-Fraktionsvize Gernot Erler. Die Frage stellt sich, der Hinweis auf die FDP-Leute ist auch keine Unterstellung. Dem „Spiegel“ wurde gesteckt, wann wie oft und wie Rösler zuletzt seinen Minister bedrängt hat.

Der Gesichtsverlust erwischt ihn zu einem delikaten Zeitpunkt. Just in dieser Woche treffen sich in Berlin 205 Botschafter und GeneraIkonsule. Einigen von ihnen war unwohl, dass sich Deutschland im UN-Sicherheitsrat enthalten hatte und Westerwelle sich nach dem Militärerfolg reserviert äußerte. Gast Juppé erntet viel Beifall, als er die Intervention rechtfertigt...

Westerwelles Niedergang hat etwas Unwirkliches. Es sind nur zwei Jahre vergangen seit jenem 27. September 2009, als er die FDP zu einen großartigen Wahlerfolg führte: 14,6 Prozent. In der Traumkoalition mit der Union legte er einen Stolperstart hin, im Februar 2010 folgte ein kapitaler Fehler. Westerwelle warnte nach einem Hartz-IV-Urteil vor „spätrömische Dekadenz“. Er wurde als „Spalter“ beschimpft, einen „Esel“ nannte ihn Heiner Geißler. Fortan galt Westerwelle als das unsympathische Gesicht der FDP. In den Umfragen und in Landtagswahlen kriegte sie es zu spüren. In manchen Ländern mochten die Wahlkämpfer ihren Parteichef nur noch verstecken.

Die Chance vertan

Ende des Jahres legten ihm einflussreiche Landespolitiker bei einem Treffen in seinem Büro den Rücktritt nahe. Er hatte die Chance, in Würde zu gehen, ließ sie aber verstreichen. Ein Vierteljahr später wurde er dazu gezwungen: Rösler wird FDP-Chef, Vize-Kanzler. Westerwelle blieb das Auswärtige Amt; ein Fehler, wie es den ersten in der Partei dämmert, spätestens mit dem Management in der Libyen-Krise. Der Respekt ist dahin.