Berlin. . Altkanzler Helmut Kohl (CDU) kritisiert scharf die Außenpolitik seiner Nachfolgerin Angela Merkel (CDU) und ihrer Regierung. Deutschland sei „keine berechenbare Größe mehr“ in der Welt, sagte Kohl in einem Interview.

Der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) hat deutliche Kritik an der Politik der schwarz-gelben Bundesregierung geübt. „Deutschland ist keine berechenbare Größe mehr - weder nach innen noch nach außen“, sagte Kohl der Zeitschrift „Internationale Politik“ (September-/Oktoberausgabe).

Jahrelang sei ein verlässlicher Kurs der Westbindung ein Grundsatz der deutschen Außenpolitik gewesen, sagte Kohl. Wenn er dagegen die Entwicklung der vergangenen Jahre betrachte, „dann frage ich mich schon, wo Deutschland heute eigentlich steht und wo es hin will“.

Verunsicherung im Ausland

Die Politik der Regierung Merkel habe auch im Ausland zu einer Verunsicherung geführt, meinte der Altkanzler. Als einen Hinweis darauf nannte er die Europareise von US-Präsident Barack Obama im Mai. Obama hatte damals mehrere europäische Länder besucht, nicht aber Deutschland. „Nach allem, was wir Deutsche und Amerikaner gemeinsam erlebt und durchlebt haben und was uns bis heute tief verbindet, hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich einmal erleben muss, dass ein amtierender amerikanischer Präsident nach Europa kommt und über die Bundesrepublik hinwegfliegt, ich könnte auch sagen, über sie hinweggeht“, sagte Kohl.

„Wir müssen aufpassen, dass wir nicht alles verspielen. Wir müssen dringend zu alter Verlässlichkeit zurückkehren“, mahnte er die Bundesregierung. Die Deutschen müssten wieder „für andere erkennbar deutlich machen, wo wir stehen und wo wir hin wollen, dass wir wissen, wo wir hingehören, dass wir Werte und Prinzipien machen, die über den Tag hinaus gelten“. Für Irritationen bei den westlichen Verbündeten Deutschlands hatte in den vergangenen Monaten beispielsweise die deutsche Stimmenthaltung im UN-Sicherheitsrat zum internationalen Libyen-Militäreinsatz geführt.

Westerwelle teilt Kritik zum Teil

Bundesaußenminister Guido Westerwelle unterstützt zum Teil die Kritik von Altkanzler Kohl an der deutschen Europapolitik. Kohl habe „scharfkantige Kritik“ an der Aufweichung des europäischen Stabilitätspakts geübt, sagte der FDP-Politiker am Mittwoch in Binz auf Rügen. Diese Kritik „teile ich ausdrücklich“.

Auf Kohls Aussage, der deutschen Außenpolitik fehle der „Kompass“, ging Westerwelle nur indirekt ein. Für ihn seien die Konstanten der deutschen Außenpolitik ganz klar, sagte der Minister. Seine drei Schwerpunkte seien der Einsatz für Europa, die Friedenspolitik und die Begründung neuer Partnerschaften bei gleichzeitiger Pflege der alten Freundschaften. (mit afp/dapd)