Essen. In einer bisher beispiellosen Initiative machen Katholiken auf vielen Ebenen Bischöfen Druck und fordern einen „Dialog auf Augenhöhe“ über die aktuellen Probleme ein. Und das Ruhrbistum mischt sich mit einem bisher einmaligen Vorstoß ein.
An der Basis der katholischen Kirche brodelt es. Der Skandal um den sexuellen Missbrauch, schwindendes Vertrauen, Austritte – viele Gläubige sorgen sich um die Zukunft ihrer Kirche. Der Missbrauchsskandal allein, sagen sie, sei nur vordergründig Auslöser einer tiefen Krise, das eigentliche Problem sitze tiefer. Eine mangelnde Dialog-Bereitschaft zwischen Amtskirche und Gläubigen gehöre dazu. Und das wollen sie ändern. In einer bisher beispiellosen Initiative machen Katholiken auf vielen Ebenen Bischöfen Druck und fordern einen „Dialog auf Augenhöhe“ über die aktuellen Probleme ein. Und das Ruhrbistum mischt sich mit einem bisher einmaligen Vorstoß ein.
Der Diözesanrat, die Laien-Vertretung, will Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck mit all dem konfrontieren, was Katholiken hier bewegt. An diesem Themen-Katalog sollen möglichst alle Gläubigen mitarbeiten. Dazu hat der Diözesanrat Vorbereitungs-Runden im ganzen Bistum organisiert.
„Uns interessiert, was Katholiken auf den Nägeln brennt“, begründet der Vorsitzende, Luidger Wolterhoff, das ungewöhnliche Vorhaben. „Wir wollen wissen, was ihnen nicht gefällt, was sie von der Kirche erwarten, was getan werden sollte.“ Der Austausch sei für die Kirche dringend notwendig. Denn während es Gläubige in der Gesellschaft gewohnt seien, viel selbst zu bestimmen, „ist die Stimme von Laien in der Kirche oft zu wenig oder gar nicht gefragt“. Sie wollten aber nicht mehr als „Unmündige“ betrachtet werden, stellt er fest.
Angeregt hatte das alles der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch. Er rief im September zu einem neuen Miteinander auf, dazu, „offen und angstfrei miteinander“ zu reden, auch über „Tabu-Themen“ wie Sexuallehre oder Zölibat (Ehelosigkeit für Priester). Bischof Overbeck hingegen plädiert eher dafür, solche Themen auszuklammern. Deutsche Bischöfe hätten ohnehin keinerlei Möglichkeit zu einer Änderung, dies könne nur auf weltkirchlicher Ebene geschehen. Er mahnt, keine Erwartungen zu wecken, die nicht erfüllt werden könnten.
Warnung vor Illusionen
Luidger Wolterhoff sieht das entspannt. Er glaube, dass manchmal mehr zu verändern sei, als man denkt, sagt er. Entscheidend sei sowieso anderes: „Wenn die Deutsche Bischofskonferenz sagt, das sei nicht zu verändern, dann wollen wir aber, dass es vernünftig erklärt wird.“ Aus keinem seiner Sätze klingt etwa Konfrontation. Im Gegenteil. Dieser Dialog, erklärt Wolterhoff, der hauptamtlich Leiter der Arbeitsagentur Gelsenkirchen ist, gelinge nicht gegen den Bischof, sondern nur mit ihm. Zudem warnt auch er vor Illusionen: „Selbst wenn morgen der Zölibat für Priester wegfiele, würde das nicht zwangsläufig zu mehr Leben in der Kirche führen.“ Außerdem will die Initiative „Aufruhr Bistum“ ohnehin nicht nur die „großen“ Themen diskutieren.
„Ein großer Teil der Gläubigen ist eher daran interessiert, wie es in der eigenen Gemeinde weitergeht“, weiß er. Für sie sei es auch wichtig, sich darüber auszutauschen, was in der Kirche erhalten bleiben solle. Zudem habe die große Strukturreform Verletzungen ausgelöst. Auch darüber müsse geredet werden.
Und das soll in einer ganzen Reihe von Veranstaltungen passieren, die nächsten sind etwa am 15. Juni in Bottrop (Katholisches Stadthaus), am 28. Juni in Mülheim (St. Barbara), oder am 13. Juli in Essen (St. Hubertus) geplant, andere folgen. Beteiligen können sich Gläubige auch per Internet auf der Seite vom Diözesanrat Essen.
Auf der Vollversammlung im Oktober sollen Ergebnisse öffentlich vorgestellt werden. Anschließend soll es einen „offensiven“ und „transparenten“ Dialog mit dem Bischof geben.