Köln. .

Fast täglich werden derzeit neue Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche bekannt. In „Menschen bei Maischberger“ kamen die Opfer zu Wort - und es wurde Ursachenforschung betrieben. Die Gesprächsrunde machte die strenge Sexualmoral der Kirche für die Skandale verantwortlich.

Es ist, als hätte jemand in ein Wespennest gestochen. Seit Mitte Januar Fälle von sexuellem Missbrauch an Schülern durch Geistliche am Berliner Canisius-Kolleg bekannt wurden, kommen fast täglich neue Horrorgeschichten ans Licht. Warum gerade die katholische Kirche anscheinend ein Sammelbecken für Täter ist, wollte Moderatorin Sandra Maischberger in ihrer Gesprächsrunde mit dem Titel „Die Priester und der Sex: Verschweigen, verleugnen, vertuschen?“ klären.

Die überzeugte Katholikin Gabriele Kuby machte die sexuelle Revolution der 1968er Generation für den moralischen Verfall, auch katholischer Priester, verantwortlich. Sie forderte eine noch stärkere Sexualmoral. Gegenwind bekam sie von Ex-Jesuit Heiner Geißler und NDR-Direktorin Maria von Welser, die sich einig waren, dass erst durch die strenge Sexualmoral der Kirche eine Spirale von Missbrauch und Schweigen entstehen konnte. Welser warnte davor, Täter zu Opfern sexueller Reize zu stilisieren.

„Angstschweiß und Bohnerwachs“

Wie weit zurück die Fälle von Missbrauch in der katholischen Kirche reichen, zeigte Franz Wittebrink (61), Komponist und ehemaliger Chorknabe bei den Regensburger Domspatzen. „Es herrschte damals der absolute Terror“, erzählte er bei der Aufzeichnung in Köln, „eine Atmosphäre aus Angstschweiß und Bohnerwachs“. Mit zehn Jahren kam der Junge aus dem Münsterland 1958 ins Internat der Regensburger Domspatzen.

Was er dort erlebte, war ein Wechselbad der Gefühle, zwischen gefeiertem Kinderstar und dem Horror des Internatsalltag. Kopfnüsse für falsche Töne, sogenannte Ohrwaschelmassagen – das sei ganz normal gewesen. Schlimmer seien die jungen Priesteranwärter gewesen, die mit der Betreuung der Chorknaben betraut waren. Wittenbrink erzählte von Stockhieben, schlimmstenfalls auf den nackten Po, von Erniedrigungen, die sich durch neun Jahre Schulzeit zogen.

„Ich habe der Kirche vertraut“

„In Deutschland gibt es eine große Wegguck- und Verschweigekultur“, sagte Wittenbrink. Das hat auch Benedikt Treimer(23) erlebt. Bei Maischberger erzählte er, wie er mit zwölf Jahren vom Kaplan seiner Kirchengemeinde missbraucht wurde, zusammen mit seinen Geschwistern. Anders als viele Opfer schwiegen sie nicht. „Wir waren total geschockt“, sagt er. Noch heute, elf Jahre später, leide er unter den seelischen Folgen.

„Ich habe der Kirche vertraut“, sagt seine Mutter Johanna Treimer. Umso härter habe es sie getroffen, als sie erfahren habe, dass der Täter lediglich versetzt worden war - und weitere Kinder missbraucht habe. „Es ist unglaublich, dass kein Mensch beobachtet hat, was der da macht“, sagt Johanna Treimer. Sie wünsche sich, dass Täter zukünftig von der Kirche zur Selbstanzeige gezwungen würden.