Essen..

Die Ausführungen des Essener Bischofs Franz-Josef Overbeck in der ARD-Talkshow Anne Will treffen auf Empörung. Overbeck hatte gesagt, Homosexualität zu leben, sei Sünde.

Anne Will schaute irritiert. Die bekannte lesbische Fernsehmoderatorin, Mitglied der katholischen Kirche, hatte gerade in ihrer Talk-Runde aus dem Munde des Essener Bischofs Franz-Josef Overbeck gehört, Homosexualität sei Sünde und widerspreche der menschlichen Natur. Sexualität, so der Bischof weiter, habe wesentlich mit Liebe zu tun, die sich für Kinder öffne. Mit anderen Worten: Sex habe der Fortpflanzung zu dienen und nicht der zweckfreien Lust.

Dass dem Bischof dies in der Hitze des Wortgefechts nur herausgerutscht ist, sollte man nicht annehmen. Denn erstens wollte er auf Nachfrage der WAZ am Tag danach kein Wort zurücknehmen oder relativieren, und zweitens liegt er damit auf der offiziellen Linie der katholischen Kirche.

Sexualität, und erst gar die gleichgeschlechtliche, ist für die Kirche seit jeher ein Tabu. Sie ist eine Sünde und Abscheulichkeit, die bis in unsere Tage sogar mit konkrete Katastrophen in Verbindung gebracht wurde. So machte der katholische Pfarrer Gerhard Maria Wagner, der 2009 beinahe Weihbischof von Linz wurde, für den Hurrikan Katrina „geistige Umweltverschmutzung“ verantwortlich, und er verwies darauf, dass zwei Tage später in New Orleans eine Schwulenparade stattfinden sollte. Auch andere Kirchenmänner stellten immer wieder eine Beziehung zwischen unsittlichen Lebensstilen der Moderne, die den Zorn Gottes provozierten, und Naturkatastrophen her.

Mit Achtung

Weniger obskur und deutlich versöhnlicher, dabei aber klar und unmissverständlich sind die offiziellen Verlautbarungen des Vatikans zur Homosexualität. „Nach kirchlicher Lehre verbietet es sich, homosexuell veranlagte Männer und Frauen in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen und ihnen wegen ihrer Veranlagung mit Missachtung zu begegnen“, sagte Bischof Karl Lehmann im März 2000 zu den Plänen der Bundesregierung, homosexuelle Lebensgemeinschaften rechtlich anzuerkennen.

„Homosexuelle Beziehungen lehnt die Kirche indessen unmissverständlich ab, da die Geschlechtlichkeit nach der Schöpfungsordnung auf die eheliche Liebe von Mann und Frau hingeordnet ist“, so Lehmann weiter. Kaum anders hat es Bischof Overbeck bei Anne Will formuliert.

Die Ausübung der Homosexualität gehört im Verständnis der katholischen Kirche zu den schweren Sünden. So seien Homosexuelle wie alle Christen aufgerufen, ein keusches Leben zu führen. Aber die homosexuelle Neigung ist „objektiv untergeordnet“, und homosexuelle Praktiken gehören „zu den Sünden, die schwer gegen die Keuschheit verstoßen“, heißt es in einem Schreiben der Glaubens­kongregation aus dem Jahr 2003. Daher könne die Achtung gegenüber homosexuellen Menschen „in keiner Weise zur Billigung des homosexuellen Verhaltens führen“.

Große Konflikte

„Homosexuelle Orientierung ist keine Sünde, doch ihr Ausleben wird von der Kirche untersagt“, stellt Hannspeter Schmidt, Seelsorger am Erzbistum Köln klar, das speziell Beratungen für Homosexuelle anbietet. „Sie sollen ihre Sexualität nicht ausleben und fragen uns: Wie gehe ich damit um? Für Homosexuelle, die sich kirchlich gebunden fühlen, sind das große Konflikte“, sagt Schmidt. „Wer aber die Amtskirche ablehnt, hat mit dem Verbot weniger Probleme. So ist das Leben.“

Homosexuelle äußern sich bestürzt und verwundert, dass sich ein so junger Bischof zum Thema Schwulsein in der Kirche derart weit aus dem Fenster lehnt: „Die katholische Kirche muss die Menschen einladen und nicht mit Verboten belegen“, fordert Markus, ein Vorstandssprecher der ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexualität und Kirche (HuK). Markus will seinen vollständigen Namen nicht nennen, weil er sich als Beschäftigter der katholischen Kirche nicht outen möchte. „Liebe beinhaltet weitaus mehr als die Zeugung von Kindern“, kritisiert der Homosexuelle die Äußerungen von Bischof Overbeck.

Annegret Laakmann, Referentin der Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ wirft dem Bischof eine rein alttestamentarische Sichtweise vor, Gottes Botschaft zu deuten. Man könne diese heutzutage auch ganz anders interpretieren. Zumindest aber: „Overbeck hätte das vorsichtiger formulieren können.“