Brüssel. . Nach 16 Jahren lässt Serbien den Srebrenica-Kommandanten Ratko Mladic fallen. Seine Festnahme hat offensichtlich mit dem Druck zu tun, den die EU in den letzten Tagen verstärkt ausübte. Bei seiner Festnahme war Mladic offenbar bewaffnet.
Es hat lange gedauert, fast 16 Jahre. Am Donnerstag wurde er endlich gefasst, angeklagt vor dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag Anklage war er schon seit dem 25. Juli 1995: Ratko Mladic, bosnisch-serbischer Militärkommandant während des Krieges in Bosnien-Herzegowina 1992 – 95.
Wenige Tage vor der Anklageerhebung hatte die Welt die erschütternden Bilder von dem Verbrechen zu sehen bekommen, dessentwegen ihm nun der Prozess gemacht wird: das Massaker von Srebrenica, die systematische Ermordung von rund 8000 muslimischen Männern und Jungen.
Die Vereinten Nationen hatten den Ort und seine Umgebung zur offiziellen “Schutz-Zone” erklärt, doch die holländischen UNPROFOR-Soldaten konnten die Bluttat nicht verhindern. Das Haager Gericht hat das Massaker in mehreren Urteilen als Völkermord gewertet – den einzigen auf europäischem Boden nach dem zweiten Weltkrieg.
16 Jahre vermutlich komplett in Serbien zugebracht
Mladic wurde 1942 im östlichen Teil Bosnien-Herzegowinas geboren, verbrachte aber den größten Teil seines Lebens in Serbien und anderen Teilrepubliken Jugoslawiens. 1991, zu Beginn des serbischen Krieges gegen Kroatien, war er dort noch Ortskommandant, bevor er ein Jahr später Stabschef der Streitkräfte der Republica Srpska wurde, der serbischen Region Bosniens.
Auch interessant
Die 16 Jahre im Untergrund hat Mladic vermutlich komplett in Serbien zugebracht – trotz aller Beteuerungen der dortigen Behörden, man lasse nichts unversucht, ihn ausfindig zu machen. Tatsächlich hat Präsident Boris Tadic selbst hat eingeräumt, dass die politische Führung in Belgrad jahrelang keinerlei wirkliche Anstrengungen unternahm, den Kriegshelden der Nationalisten zu ergreifen und auszuliefern. Wie sich später herausstellte, besuchte Mladic ungehindert Fußball-Spiele oder tanzte auf Hochzeitsfeiern.
Auch die Vermutung, der Flüchtige überlebe womöglich nur in einem Erdloch, erwies sich als Legende – wie schon im Falle der Kriegsverbrecher Gotovina, Djordjevic oder Karadzic. Als “Milorad Komadic” lebte Mladic in einem normalen Wohnhaus. Er war Polizeiangaben vom Donnerstag zufolge im Dorf Lazarevo nahe der Stadt Zrenjanin im Bauerhaus eines Vetters untergetaucht.
Mladic war bei Festnahme bewaffnet
Bei seiner Festnahme war Mladic der serbischen Regierung zufolge bewaffnet. Er habe zwei geladene Gewehre bei sich gehabt, aber keinen Widerstand geleistet, sagte der für die Verfolgung von Kriegsverbrechern zuständige Minister Rasim Ljajic am Donnerstag. Mladic habe zudem blass ausgesehen, so als ob er lange nicht an der frischen Luft gewesen wäre.
Der frühere General sah dem Minister zufolge eingefallen und deutlich älter aus. „Kaum jemand konnte ihn erkennen.“ Mladic hatte falsche Ausweisdokumente bei sich, die ihn als Milorad Komadic ausgaben. Aus Polizeikreisen hieß es, er habe Gesundheitsprobleme: eine zum Teil gelähmte Hand, Nierenprobleme und hohen Blutdruck.
Druck der EU
Seine Festnahme hat offensichtlich mit dem Druck zu tun, den die EU und das Haager Tribunal in den letzten Tagen verstärkt ausübten. Die EU-Kommission bereitet derzeit ihr im Herbst fälliges nächstes Serbien-Zeugnis vor. Bei dieser Begutachtung spielte die Ergreifung Mladics immer eine zentrale Rolle. Die EU hat die vorbehaltlose Zusammenarbeit mit dem Tribunal in Den Haag zur zwingenden Voraussetzung gemacht, ohne die Serbien keine Chance habe, zum offiziellen EU-Beitrittskandidaten erhoben zu werden.
Doch jetzt war durchgesickert, dass der Haager Chefankläger Serge Brammertz Belgrad keineswegs die verlangte Kooperation attestieren wolle. “Die Frist läuft ab”, erklärte Kommissionschef Barroso letzte Woche in Belgrad. Vor die Entscheidung gestellt, nahmen Präsident Tadic und seine Mitstreiter nunmehr die EU-Perspektive offenbar wichtiger als die Rücksicht auf die Unbelehrbaren im eigenen Land. Unmittelbar vor dem Eintreffen der EU-Außenbeauftragten Ashton gab der Präsident die Festnahme bekannt.
Die Erleichterung der EU-Verantwortlichen war einhellig. Ashton gratulierte Tadic und versprach “neue Energie” bei der Arbeit an Serbiens europäischer Zukunft. Das Land hat gute Aussichten, nun doch vor Jahreswechsel den Kandidatenstatus zu bekommen. Zahlreiche EU-Obere erinnerten allerdings daran, dass die Arbeit noch nicht ganz erledigt sei: Der Ex-General Goran Hadzic, ebenfalls in Den Haag als mutmaßlicher Kriegsverbrecher gesucht, ist weiter flüchtig. (Mit Material von Reuters)