Belgrad. . In Serbien ist der flüchtige Kriegsverbrecher Ratko Mladic festgenommen worden. Mladic wurde vom UN-Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien gesucht, vor dem er unter anderem wegen Völkermordes und Kriegsverbrechen angeklagt ist.

Der seit mehr als 15 Jahren flüchtige mutmaßliche Kriegsverbrecher Ratko Mladic ist gefasst. Der serbische Präsident Boris Tadic erklärte am Donnerstag, Mladic sei festgenommen worden. Der Militärführer der bosnischen Serben im Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina von 1992 bis 1995 soll sich wegen Völkermords vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verantworten.

"Im Namen der Republik Serbien verkünden wir, dass Ratko Mladic festgenommen wurde", sagte Tadic auf einer Pressekonferenz. Der serbische Geheimdienst habe die Festnahme vorgenommen. Mladic solle nun an das UN-Kriegsverbrechertribunal überstellt werden. Einen Zeitpunkt nannte der Präsident nicht, erklärte aber, ein entsprechendes Verfahren sei bereits eingeleitet worden. "Wir haben eine schwere Zeit in unserer Geschichte beendet", sagte Tadic.

Kroatische Medien berichteten als erstes über die Festnahme. Sie berichteten, eine DNA-Analyse habe die Identität Mladics bestätigt. Er wurde demzufolge in einem Dorf in der Nähe der nordserbischen Ortschaft Zrenjanin festgenommen.

Rechte Hand von Radovan Karadzic

Mladic gilt als der meistgesuchte Kriegsverbrecher Europas. Er war die rechte Hand des bereits festgenommenen früheren Serbenführers Radovan Karadzic. Das Tribunal in Den Haag legt Mladic vor allem die 44-monatige Belagerung Sarajevos mit rund 10.000 Toten und das Massaker von Srebrenica zur Last. In der bosnischen Enklave wurden im Juli 1995 beim schlimmsten Massaker in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg rund 8.000 muslimische Männer und Jungen getötet. Seit 1995 ist Mladic auf der Flucht.

Die Ermittler am Haager Tribunal für Ex-Jugoslawien hatten Belgrad immer wieder kritisiert, nicht genug bei der Suche nach Mladic und anderen flüchtigen Kriegsverbrechern zu tun. In einem am Donnerstag bekannt gewordenen Bericht des Anklägers Serge Brammertz an den US-Sicherheitsrat heißt es, die Anstrengungen Serbiens zur Festnahme Mladics und anderer Verdächtiger seien „unzureichend“. Dies untergrabe die „Glaubwürdigkeit und die Stärke“ des Engagements Belgrads, vollständig mit dem Tribunal zu kooperieren.

Rasmussen begrüßt Nachricht

Brammertz regelmäßige Berichte sind von großer Bedeutung für die Bemühungen Serbiens um eine Kandidatur für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Brüssel hat eine Kandidatur von der Festnahme Mladics abhängig gemacht.

Die Ankläger in Den Haag vermuteten, dass Mladic sich in Serbien versteckte und dort von Extremisten geschützt wurde, die ihn als Helden verehren. Zuletzt wurde Mladic 2006 in Belgrad gesehen.

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen begrüßte in Brüssel die Festnahme. Er erklärte, fast 16 Jahre nach der Anklage bestehe nun die Chance, dass der Gerechtigkeit genüge getan werde. Die Festnahme sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem umfassenden, freien und friedlichen Europa.

Deutschland: Festnahme Mladics rückt Serbien näher an EU

Aus deutscher Sicht rückt Serbien mit der Festnahme des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Ratko Mladic einem möglichen EU-Beitritt näher. Außenminister Guido Westerwelle sagte am Donnerstag in Berlin, die Bundesregierung sehe für das Land "eine ganz klare europäische Perspektive". Serbien müsse aber alle Bedingungen dafür einhalten, forderte der FDP-Politiker. Auch nach Ansicht von SPD und Grünen könnten sich jetzt europäische Chancen für Serbien eröffnen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, die Verhaftung biete die Chance für eine wahrhaftige und rechtsstaatliche Aufarbeitung der abscheulichen Verbrechen. Das sei gleichzeitig die beste Grundlage für eine Versöhnung und eine europäische Zukunft der Region, sagte die CDU-Vorsitzende. Die Verhaftung sei längst überfällig gewesen. Westerwelle bezeichnete diese als "sehr gute Nachricht für die Gerechtigkeit in Europa". Serbien löse damit eine "langjährige Forderung der EU" ein.

"Keiner kann auf Dauer mit Straffreiheit rechnen"

Auch Grünen-Chefin Claudia Roth begrüßte die Festnahme. "Die schrecklichen Gräueltaten und Massaker können nun weiter aufgearbeitet und Ratko Mladic zur Rechenschaft gezogen werden", sagte Roth in Berlin. Serbien müsse diesen Weg weiter gehen, um die Tür in die EU weiter zu öffnen. Die lückenlose Aufarbeitung der dunklen Kapitel der jüngeren Geschichte des Balkan sei im ureigenen Interesse Serbiens und seines Weges nach Europa.

SPD-Fraktionsvize Gernot Erler sagte in Berlin, der mutige Schritt von Präsident Tadic öffne den Weg "für Serbien zu einer Beschleunigung der europäischen Optionen". Es habe lange gedauert, bis der Mann vor Gericht kommt, den die Welt mit dem schlimmsten Massaker der Nachkriegszeit auf europäischem Boden in Verbindung bringe. "Keiner kann auf Dauer mit Straffreiheit rechnen", meinte Erler.

Serbien gehört zu den Anwärtern auf eine EU-Mitgliedschaft. Dass Mladic 16 Jahre lang untertauchen konnte, gehörte zu einem der Hindernisse für die Eröffnung der offiziellen Beitrittsverhandlungen.

Karadzic äußert Bedauern über Festnahme

Der in Den Haag inhaftierte frühere bosnische Serbenführer Radovan Karadzic hat Bedauern über die Festnahme seines langjährigen Militärchefs Ratko Mladic geäußert. Karadzic sagte nach Angaben seines Anwalts Peter Robinson, es tue ihm sei leid, dass Karadzic seine Freiheit verloren habe. Er freue sich aber darauf, mit ihm zusammenzuarbeiten, "um die Wahrheit über das Geschehen in Bosnien" ans Licht zu bringen.

Eine erste Befragung des mutmaßlichen bosnisch-serbischen Kriegsverbrechers Ratko Mladic in Belgrad ist wegen gesundheitlicher Probleme des 69-Jährigen schon nach kurzer Zeit unterbrochen worden. Mladic müsse zunächst untersucht werden, sagte sein Anwalt Milos Saljic am Donnerstag. Der Ermittlungsrichter eines Sondergerichts zur Verfolgung von Kriegsverbrechern hatte demnach vergeblich versucht, Mladic zu befragen. Mladic sei "psychologisch und körperlich" in schlechter Verfassung und habe daher nicht mit dem Gericht kommunizieren können. "Es ist schwierig, irgendeine Art von Verständigung mit ihm aufzubauen", sagte der Anwalt.

Die Ärzte würden dem Gericht im Laufe der Freitags mitteilen, ob Mladic vernehmungsfähig ist, sagte der Anwalt. Zuvor war bereits aus Gerichtskreisen verlautet, dass Mladic in einem "ziemlich schlechten" körperlichen Zustand sei. Gerichtssprecher Bruno Vekaric sagte jedoch, Mladic habe dem Untersuchungsrichter ohne Probleme Angaben zu seiner Identität machen können, er sei also durchaus in der Lage zu kommunizieren. Gleichwohl ähnele Mladic "nicht dem Mann, den wir aus den 90er Jahren kennen", sagte der Sprecher. (afp/dapd)