Rostock. . Zum Abschluss ihres Bundesparteitags übte sich die FDP-Spitze um den neuen Parteichef Philipp Rösler am Sonntag in Optimismus. Die FDP unter will ab sofort “liefern“. Ein riskantes Versprechen, denn die Kanzlerin muss mitspielen.
Drei Tage liberales Großreinemachen sind vorbei. Aus Rostock bringt die FDP einen neuen Vorsitzenden mit. Und der einen ganz neuen Sound. Die Parteitagsbilanz:
Was bringt der neue Vorsitzende Philipp Rösler?
Bessere Laune und einen sanfteren, nachdenklichen Sound. Der 38-Jährige ist der Gegenentwurf zu Guido Westerwelle: leise Töne, keine Hybris, dosierte Selbstironie, reichlich Humor. Rösler kann das liberale Einmaleins so buchstabieren, dass es in die Alltagswelt vieler Menschen passt. Er tut das mit Herzenswärme, die gelebt ist, nicht geliehen.
Ist der Aufbruch nachhaltig?
Als Arzt weiß Rösler, dass eine geglückte Wiederbelebung nichts über die dauerhafte Gesundung eines Patienten sagt. 95 Prozent Zustimmung für ihn sind Vertrauensvorschuss und Bürde zugleich. Die FDP dümpelt unter 5 Prozent. Exitus-Gefahr nicht gebannt. Röslers Rede, neun Minuten lang beklatscht, ist ein Hoffnungsschimmer. Das Bleierne des politischen Alltags kann alles verblassen lassen.
Kann ein unerfahrener Softie wie Rösler im brutalen Politik-Betrieb überleben?
Er ist kein unerfahrener Softie, sondern seit 2003 kühl kalkulierend in hohen Partei- und Regierungsämtern unterwegs. Dass er höflich und nett auftritt, sollte man nicht mit fehlender Wetterfestigkeit verwechseln. Rösler ist kein blau-gelber Frosch, der im erhitzten Wasserglas sitzen bleibt, bis es kocht. Er lässt lieber andere schwitzen.
Was hat er mit der FDP im Sinn?
Er will aus weithin verhassten Wirtschaftsliberalen eine sozial mitfühlende Partei der Freiheit machen. Eine, die eher links und nicht rechts der Mitte verortet ist und sich so neue Koalitionschancen bastelt. Indiz: Rösler kann sich Mitarbeiterbeteiligungen an Konzernen vorstellen. Die Gewerkschaften werden sich freuen. Die Linkspartei nicht. Sie fordert es schon länger.
Was soll sich in der FDP ändern?
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Vor allem der Auftritt nach außen. Teamplay, Mannschaftsspiel, ist das neue Zauberwort. Alle Leistungsträger in Kabinett, Partei und Fraktion sollen sich dem unterordnen. Polarisierende Ein-Mann-Shows werden künftig geahndet.
Kann das funktionieren?
Es wird davon abhängen, wie lange die alten Hasen die „jungen Milden“ um Rösler, Daniel Bahr und Christian Lindner experimentieren lassen. Rösler verspricht: „Ab heute wird die FDP liefern.“ Gewagt. Hockt die Partei im Winter immer noch im Umfragenkeller, wird es ungemütlich für den Gemütsmenschen Rösler. Fraktionschef Brüderle würde gewiss dazwischenfunken.
Ist Rösler der richtige Mann?
Wenn einer dabei helfen kann, dass die FDP ihr chronisches Negativ-Image abstreift, dann er. Man nimmt dem zweifachen Vater, in Vietnam geboren, von einem deutschen Bundeswehr-Soldaten adoptiert, den geerdeten Familienmenschen ab, der Alltagssorgen nicht nur aus Lifestyle-Magazinen kennt. Gattin, Schwiegermutter und Ur-Oma Clärchen saßen beim Parteitag nicht zufällig in der ersten Reihe und passten auf die Zwillinge auf.
Was bedeutet der Personalwechsel in der FDP für die Regierungskoalition?
Mehr Kontroverse, mehr Reibung. Rösler wird zunächst in der Innen- und Rechtspolitik klare Kante zeigen und die Bürgerrechte nicht auf dem Altar der Terrorängste opfern. Kompromisse mit der Union hängen davon ab, ob Merkel (CDU) und Seehofer (CSU) dem Neuen was gönnen. Oder ob sie ihn verhungern lassen.
Wird eine FDP, die den Wirtschafts-Egoismus für wenige eintauscht gegen einen sozialen Wohlfühl-Liberalismus für das ganze Volk, automatisch wählbarer?
Nein. Zu viel Vertrauen ist futsch. Erfolge bei den Landtagswahlen in Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin wären eine Sensation. Die FDP ist 2009 wegen ihres Weniger-Steuern-Mantras gewählt worden. Liefert sie bis 2013 hier nichts Substanzielles, könnte sie ganz durch den parlamentarischen Rost fallen.
Warum hat die FDP den Abgang von Guido Westerwelle nicht zu einer schonungslosen Fehleranalyse genutzt?
Man weiß, dass Westerwelle auf dem besten Weg war, die Steuersenkungspartei in der Bedeutungslosigkeit zu versenken. Aus Sorge vor Selbstzerfleischung und Verwundungen, mit abschreckender Medien-Resonanz, hat man auf die Abrechnung verzichtet. Im Gegenzug erwartet die Partei, dass der Außenminister sich innenpolitisch ab sofort für unzuständig erklärt. Greift er Rösler & Co. ins Lenkrad, ist er bald ganz weg vom Fenster.