Rostock. Der scheidende Liberalen-Chef Guido Westerwelle gibt sich ungewohnt wehmütig und selbstkritisch. Der Parteitag verabschiedet ihn mit stehenden Ovationen. Auch sein Nachfolger Rösler zollte ihm zum Schluss Respekt.
. Als Guido Westerwelle, der monatelang Zielscheibe bitterster Vorwürfe aus den eigenen Reihen war, in Rostock nach 60 Minuten mit seiner Abschiedsrede nach zehn Jahren an der FDP-Spitze durch war, brandete Beifall auf.
Nicht pflichtschuldig. Sondern imposant. Sieben Minuten lang, vielleicht acht. So imposant, dass sich eigentlich niemand hätte wundern dürfen, wenn in einem Dringlichkeitsantrag Westerwelles sofortige Wiederwahl beschlossen worden wäre.
Von Vorstößen, ihm wegen der Existenz bedrohenden FDP-Krise nach dem Parteivorsitz auch noch das Amt des Außenministers zu nehmen, wie sie in den letzten Tagen in der FDP offen und versteckt unternommen wurden, war auch in der anschließenden Aussprache keine Spur mehr.
Dauer-Nörgler hielten still
Selbst routinierte Dauer-Nörgler wie der schleswig-holsteinische Fraktionschef Wolfgang Kubicki oder Lasse Becker, Vorsitzender der „Jungen Liberalen“, hatten hinreichend Kreide gefressen und sich der inoffiziellen Parteitags-Regie unterworfen, die da lauten sollte: Festspiele statt Scherbengericht.
Westerwelles Weg
Den Boden dafür hatte Alt-Hoffnungsträger Rainer Brüderle (65) bereitet. Nach kurzer, aber klarer Manöverkritik – schwere Krise, viel versprochen, zu wenig geliefert – gab der neue Fraktionsvorsitzende im Bundestag mit einem Extra-Lob für Westerwelle („Der bislang größte Erfolg bei einer Bundestagswahl wird immer mit deinem Namen verbunden sein“) und gefühligen Umarmungen aller Parteiströmungen am Morgen die Tonalität vor: Liberale hacken nicht mehr aufeinander ein. Liberale nehmen sich in schwerer Stunde bei der Hand und arbeiten für die freidemokratische Sache; und zwar unverzagt und fröhlich.
Abschied mit Wehmut, Stolz und Dankbarkeit
Eine Losung, der sich erkennbar zerknirscht auch der neue Vizefraktionschef Martin Lindner aus Berlin anschließen musste. Dessen maliziöser Plan, über Westerwelles Verbleib im Außenministeramt öffentlich abstimmen zu lassen, wurde von Brüderle persönlich am Vorabend im Keim erstickt.
Westerwelle nahm die versöhnliche Geste mit einer Erleichterung auf, die ihm ins Gesicht geschrieben stand. Nach einem Dutzend persönlicher Dankesworte für nahezu jeden im FDP-Führungszirkel räumte er, ein seltener Moment, sogar pauschal Fehler ein, ohne jedoch konkret zu werden. Er sprach mit feuchten Augen von Wehmut, Stolz und Dankbarkeit, die ihn nach zehn Jahren an der FDP-Spitze erfüllten. Er lobte die nachrückende, von ihm geförderte Führungsgeneration fast schon sentimental über den grünen Klee. Er zog trotz rapiden Vertrauensverlusts der FDP in der Bevölkerung eine Bilanz, wie man sie von ihm kennt: „Wir haben mehr richtig als falsch gemacht.“ So sehr richtig, dass die rot-grüne Regierung Schröder/Fischer heute „in Champagner baden würde“, könnte sie in punkto Beschäftigung und Wirtschaftskraft Kennzahlen vorweisen wie sie unter Schwarz-Gelb möglich geworden seien.
Respekt für Vorgänger
Der Applaus war programmiert. Er wurde noch lauter, als der Außenminister versprach, was manche Liberale intern bis zuletzt leise bezweifelten: „Ich werde meinem Nachfolger nicht ins Lenkrad greifen.“ Philipp Rösler (38), der am Abend zum jüngsten Vorsitzenden in der Geschichte der FDP gewählt werden soll, bedankte sich mit einer Bronzebüste („Europa und der Stier“) und dem Bekenntnis, dass die FDP ihrem scheidenden Vorsitzenden vor allem eines schulde: Respekt.
Philipp Rösler (38), der am frühen Abend mit 95,1 % der Stimmen zum jüngsten Vorsitzenden in der Geschichte der FDP gewählt wurde, bedankte sich mit einer Bronzebüste (“Europa und der Stier“) und dem Bekenntnis, dass die FDP ihrem scheidenden Vorsitzenden vor allem eines schulde: Respekt. (mit Reuters)