Berlin. Das Personal-Karussell bei der FDP dreht sich. Rainer Brüderle löst Birgit Homburger an der Fraktionsspitze ab. Und überlässt dem designierten Parteichef Rösler das Wirtschafts-Ressort. Auch NRW-FDP-Chef Bahr geht nicht leer aus.

Nach einem zähen Machtkampf versucht die FDP mit einem Rollentausch in der Bundesregierung und im Bundestag einen Neuanfang. Die Bundestagsfraktion wählte am Dienstag den 65-jährigen Rainer Brüderle mit großer Mehrheit zum Fraktionschef, der damit sein Amt als Wirtschaftsminister aufgeben muss. Drei Tage vor dem FDP-Parteitag sicherte sich der künftige Parteichef Philipp Rösler somit das Wirtschaftsressort, von dem er sich bessere Profilierungsmöglichkeiten verspricht. Das Gesundheitsministerium soll für ihn Daniel Bahr übernehmen, Chef des größten FDP-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen.

Bei Brüderles Wahl zeigte sich die Fraktion mit 86 Ja-Stimmen sowie je zwei Nein-Stimmen und Enthaltungen demonstrativ geschlossen. Der Einigung im Führungsstreit ging ein zähes Ringen voran, um Fraktionschefin Birgit Homburger nach nur anderthalb Jahren im Amt zum Rückzug zu bewegen. Als Entschädigung will Rösler die 46-Jährige für das Amt der Ersten Stellvertretenden Parteivorsitzenden vorschlagen - einen Posten, den bisher Brüderle innehatte. Auch dem Koalitionsausschuss von CDU, CSU und FDP, in dem Streitfragen und Stoßrichtungen der Koalition entschieden werden, soll sie angehören.

Homburger beugt sich Röslers Drängen

Die FDP hofft nun auf ein Ende der Personaldebatte. Letzter Auslöser war die verheerende Wahlniederlage in Baden-Württemberg vor gut sechs Wochen. Nur kurz darauf sah sich FDP-Chef Guido Westerwelle zum Rückzug vom Parteivorsitz gezwungen. Als Außenminister will er jedoch im Amt bleiben. Die nun von der FDP angestoßene Kabinettsumbildung ist bereits die dritte der schwarz-gelben Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel.

Homburger bekam in der Fraktion nach Teilnehmerangaben für ihre Rückzugsrede minutenlang Applaus. Sie begründete später vor den Kameras ihren Rücktritt mit der Verantwortung für die Partei in einer schwierigen Situation. Sie wolle dazu beitragen, dass Rösler als Parteichef einen „hervorragenden Start“ bekomme. Rösler sagte in der Fraktion, Homburger habe manche Kritik auf sich genommen, die auch Ministern der FDP gegolten habe. Später sagte er, Homburger leiste einen Beitrag, „dass die Vorstellungen, die ich habe, auch umgesetzt werden können“.

In einer Schaltkonferenz mit dem Bundesvorstand der Partei beschloss die Fraktion nach Röslers Angaben zudem auch formell, dass Rösler das Wirtschafts- und Bahr das Gesundheitsministerium übernehmen soll. Termine für ihre Ernennung durch den Bundespräsidenten waren noch nicht bekannt. „Ziel ist es, damit alle Personaldiskussionen abzuschließen“, sagte Rösler.

Erfolg für den künftigen Parteichef

Mit der Kabinettsumbildung und dem Wechsel an der Fraktionsspitze kann der künftige Parteichef Rösler einen Erfolg verbuchen. Der 38-Jährige erhofft sich von dem Posten des Wirtschaftsministers bessere Möglichkeiten, unbelastet von den Schwierigkeiten des Gesundheitsressorts am Profil der FDP zu arbeiten. Bisher galt Brüderle vielen in der FDP mit seinen strikten wirtschaftsliberalen Positionen als Lichtblick im Kabinett. Als Fraktionschef kommt ihm künftig die Aufgabe zu, gemeinsam mit Unions-Fraktionschef Volker Kauder die Mehrheiten und die Unterstützung für die Bundesregierung zu organisieren.

Neues Ungemach drohte der FDP durch eine andere Personalie. Ihr Präsidiumsmitglied Silvana Koch-Mehrin muss um ihren Doktortitel bangen. Wie der „Tagesspiegel“ berichtete, will die Universität Heidelberg der FDP-Europaabgeordneten die Doktorwürde entziehen. Sie habe in ihrer Dissertation abgeschrieben, ohne die Zitate zu kennzeichnen. Eine Universitätssprecherin erklärte, die Prüfung sei noch nicht abgeschlossen. Von Koch-Mehrin war kein Kommentar zu erhalten. (rtr)