Brüssel. Das EU-Parlament fordert eine Verschärfung des Kodex für EU-Kommissare: Die Erklärungen über politische Aktivitäten und finanzielle Interessen seien nach wie vor lückenhaft - so das Ergebnis einer Studie. Auch der deutsche Industriekommissar Verheugen wird als negatives Beispiel angeführt.
Der ehemalige britische Handelskommissar Peter Mandelson nimmt Einladungen eines russischen Aluminium-Magnaten an und lässt es sich auf dessen Yacht bei Korfu gut gehen – in einer Zeit, in der die Senkung der Aluminium-Preise heiß diskutiert wird. Der deutsche Industriekommissar Günter Verheugen steht wochenlang im Rampenlicht, weil er seine langjährige Vertraute zur Kabinettschefin gemacht hat. Und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso unterstützt im portugiesischen Wahlkampf seine Partei, indem er in einem Fernsehspot auftaucht – obwohl völlige Unabhängigkeit der Kommissions-Mitglieder und die Vermeidung von Interessenkonflikten oberstes Gebot sind.
Das sind nur drei Beispiele aus der neuen Studie der Beratungsfirma Blomeyer & Sanz. Auf 118 Seiten hat sie im Auftrag des Haushaltsausschusses des EU-Parlaments die Verhaltensregeln für EU-Kommissare unter die Lupe genommen und ein klares Fazit gezogen: Zwar müssen alle EU-Kommissare vor Amtsantritt eine Erklärung über Ehrenämter oder ihre finanziellen Interessen abgeben. Doch der Kodex ist schlichtweg nicht ausreichend – vor allem lässt er zu viel Spielraum für politische Aktivitäten außerhalb der Brüsseler Behörde.
Tatsächlich ist die Liste der Kritikpunkte lang: Einzelheiten zu Dienstreisen der Kommissare werden nicht veröffentlicht. Außerdem gebe es nur vage Vorgaben, wie finanzielle Interessenkonflikte vermieden werden können. Einladungen zu Urlaubsreisen würden vom Verhaltenskodex noch nicht einmal explizit abgedeckt, geschweige denn die Identität der Gönner veröffentlicht. Darüber hinaus seien einige Erklärungen zum Beispiel über den Besitz von Aktien und Wertpapieren völlig veraltet.
„Wir brauchen dringend eine Verschärfung des Kodex“, fordert deshalb die Europa-Abgeordnete Ingeborg Gräßle (CDU). Es könne nicht sein, dass die Mitglieder des Europäischen Parlaments strenger überwacht würden als die EU-Kommission mit ihrer Machtfülle. Eine jährliche Aktualisierung der Angaben sei ebenso nötig wie schärfere Vorgaben und eine Kontrolle durch ein Gremium, bei dem sich auch die Bürger über mögliches Fehlverhalten einzelner EU-Kommissare beschweren können.
Die EU-Kommission äußert sich zurückhaltend zu der Studie. Man werde den Verhaltenskodex noch einmal prüfen, bevor die nächste EU-Kommission eingesetzt werde, erklärte ein Sprecher. Zu konkreten Kritikpunkten könne man sich aber erst äußern, wenn eine offizielle Stellungnahme des EU-Parlaments vorliegt. Und das sei noch nicht der Fall. (we)