Hamburg. Silvana Koch-Mehrin (FDP) hält es für möglich, dass das EU-Parlament die neue Kommission wegen der Nominierung Oettingers (CDU) als EU-Kommissar ablehnt. Der baden-württembergische Ministerpräsident sei auf der europäischen Bühne "bislang nicht besonders präsent".

Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Silvana Koch-Mehrin (FDP), hat sich verwundert über die Nominierung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) als EU-Kommissar gezeigt. «Herr Oettinger war auf der europäischen Bühne bislang nicht besonders präsent», sagte Koch-Mehrin dem «Hamburger Abendblatt». «Die Nominierung kam für uns alle überraschend.»

Die FDP-Politikerin forderte Oettinger auf, vor dem Europaparlament «seine besonderen europäischen Interessen unter Beweis zu stellen». Der CDU-Politiker müsse sich darauf einstellen, dass er in der Anhörung «auch mit Äußerungen aus der Vergangenheit konfrontiert wird», sagte Koch-Mehrin in Anspielung auf Bemerkungen Oettingers, der einstige Marinerichter und spätere baden-württembergische Ministerpräsident Hans Filbinger sei ein Gegner des NS-Regimes gewesen.

Ablehnung der Kommission möglich

Koch-Mehrin hält es für möglich, dass das Europaparlament die neue Kommission wegen der Nominierung Oettingers ablehnt. Wenn es gravierende Bedenken gegen einen Kandidaten gebe, «ist das Parlament bereit, die Kommission abzulehnen», sagte sie. «Das haben wir 2004 gezeigt, als wir Berlusconis Personalvorschlag gekippt haben. Und seither hat das Selbstbewusstsein des Parlaments eher zugenommen.»

Koch-Mehrin appellierte zugleich an die Bundesregierung, die Europapolitik im Außenministerium zu bündeln. Die Regierung «muss endlich mit einer Stimme sprechen», sagte sie. «Es kann nicht sein, dass unterschiedliche Ministerien hier in Brüssel unterschiedliche Positionen vertreten.» Die Europapolitik «sollte viel stärker als in den vergangenen Jahren im Auswärtigen Amt koordiniert werden».

Giuliani: Nominierung Oettingers sorgt in Brüssel für «Bestürzung"

Die Nominierung von Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) für die künftige EU-Kommission ist vom Präsidenten der Stiftung Robert Schuman, Jean-Dominique Giuliani, mit Skepsis aufgenommen worden. «Diese Nominierung hat in Brüssel einige Bestürzung ausgelöst», sagte Giuliani der Nachrichtenagentur AFP. Die Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für Oettinger lasse den Schluss zu, dass sich die Kanzlerin nicht für die Europäische Union interessiere, sagte Giuliani. Aber sie suche die nationalen deutschen Interessen ohne Umschweife durchzusetzen.

Zwar hätten auch Merkels Vorgänger Helmut Kohl (CDU) und Gerhard Schröder (SPD) dies schon getan, fuhr Giuliani fort. Aber damals sei es «besser ummäntelt» worden. Merkel entstamme einer anderen Generation, sie sei «gnadenlos zynisch» und es gebe bei ihr «nicht viel Platz für das Herz und für Gefühle», fügte Giuliani hinzu. In ihrer Regierungsweise sei Merkel «noch rücksichtsloser» als der französische Präsident Nicolas Sarkozy, sagte Giuliani unter Hinweis auf Sarkozys Entscheidung, die in Ungnade gefallene frühere Justizministerin Rachida Dati als Abgeordnete ins EU-Parlament zu entsenden.

Die Stiftung Robert Schuman wurde 1991 gegründet und setzt sich für die europäische Einigung ein. Der Politikwissenschaftler und Jurist Giuliani ist seit dem Jahr 2000 Präsident der Stiftung. (afp/ddp)