Berlin. .
Wenige Tage vor dem Rostocker FDP-Bundesparteitag, auf dem die in Umfragen und Wahlen abgestürzten Liberalen mit neuen Gesichtern und Botschaften die Aufholjagd beginnen wollen, geht der Stellvertreter-Krieg unvermindert weiter. Dem designierten neuen Vorsitzenden Philipp Rösler, der die Nachfolge von Guido Westerwelle antreten wird, ist es noch nicht gelungen, seine neue achtköpfige Führungsmannschaft zu komplettieren, die sich an der Ostsee in geheimer Abstimmung zur Wahl stellen muss.
Neben Rösler gelten derzeit nur Patrick Döring (als neuer Schatzmeister und Nachfolger von Hermann Otto Solms) und Christian Lindner (als Generalsekretär) als so gut wie gewählt. Auch Daniel Bahr (FDP-Chef in NRW) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Chefin Bayern) werden zwei Stellvertreter-Posten nicht zu nehmen sein. Danach beginnt das Rätselraten.
Für den dritten Vize-Vorsitzenden und die drei Beisitzer im Präsidium werden mehr als ein halbes Dutzend oft nur Insidern bekannte Namen (unter anderem Niebel, Kubicki, Hahn, Hoff, Suding) gehandelt. Regional-Proporz zwischen Ost- und West-Verbänden sowie die ungeklärte Frage des Frauenanteils erschweren die Lösung. Vieles deutet auf Kampfkandidaturen hin. Rösler hält das Rennen offen; in der Hoffnung, dass sich an diesem Wochenende das Personalknäuel auflöst.
Karten neu mischen
Auf ihrer Frühjahrsklausur werden die 93 FDP-Bundestagsabgeordneten am Sonntag und Montag über Neuwahlen ihrer Spitze um die zuletzt oft kritisierte Birgit Homburger entscheiden. Eigentlich steht das erst im Oktober an. Um eine Verlängerung der Nabelschau nach dem Rostocker Parteitag zu vermeiden, soll die Abstimmung über die Fraktionsspitze vorgezogen werden. Sie prägt - neben den fünf liberalen Ministern im Kabinett - maßgeblich das Bild der FDP in der Öffentlichkeit.
Wenn Homburger heute als Landesvorsitzende der zuletzt aus der Regierung geflogenen Liberalen in Baden-Württemberg wiedergewählt werden sollte, sei ihr das höchste Fraktionsamt kaum zu nehmen, heißt es in Parteikreisen. Unterliegt sie aber dem Herausforderer Michael Theurer, „werden die Karten ganz neu gemischt“. NRW-Chef Daniel Bahr wird für diesen Fall als Nachfolger gehandelt.
Die junge Garde
Noch mehr Gewicht misst man der Personalie Rainer Brüderle zu. Rösler hat dem 65-Jährigen dem Vernehmen nach eine Kompromisslinie angeboten: Er kann Wirtschaftsminister bleiben, sofern er nicht wieder für den stellvertretenden Parteivorsitz kandidiert. Brüderle stehe einer „umfassenden personellen Erneuerung an der Spitze im Weg“, sagte ein FDP-Führungsmitglied dieser Zeitung. Was Brüderle und der ihn tragende Wirtschaftsflügel der Partei völlig anders sieht. „Brüderle repräsentiert eine liberale Tradition. Der lässt sich nicht einfach vom Hof jagen“, heißt es aus dem Umfeld des Ministers.
Tritt Brüderle erneut an, bekommt er in NRW-Chef Bahr, gleichzeitig Staatssekretär in Röslers Gesundheitsministerium, wohl einen Gegenkandidaten. Gewinnt Bahr, stünde Brüderle als Wirtschaftsminister vor dem Aus. Gewinnt Brüderle, bräche mit Bahr ein Pfeiler der jungen Garde um Rösler weg. Offiziell lassen sich alle Beteiligten nicht in die Karten gucken. Der Stellvertreter-Krieg bei der FDP, er wird vorläufig noch aus dem Graben geführt.