Berlin. . Philipp Rösler bleibt ganz leise bei seinem Umbau der FDP, die er künftig leiten soll. Die lauten Spitzen überlässt er anderen. Klare Pflöcke schlägt er trotzdem ein. So hat er sich offiziell vom bisherigen FDP-Credo Steuersenkungen verabschiedet.

FDP-Sanierer Philipp Rösler verliert keine Zeit. Seit Dienstag ist er als Parteichef nominiert. Seither legt er neue Konzepte vor. Vom Ziel baldiger Steuersenkungen hat er sich soeben persönlich, offiziell und endgültig verabschiedet. Die FDP-Führung will er umbauen. Sechs Landesparteitage zeigten am Wochenende: Die turbulenten Tage der FDP sind längst nicht vorbei.

Der Koalitionspartner, die Union, gibt Rösler eine Schonzeit von fünf Wochen. Bis Mitte Mai, bis zum FDP-Parteitag in Rostock, sollen die Liberalen „die Dinge geklärt haben“, mahnt CSU-Chef Horst Seehofer. Das bürgerliche Lager liegt in Umfragen bei 38 Prozent, bei Forsa zuletzt bei 33 Prozent. Zu wenig. Gerade er weiß, wie lange es dauern kann, eine Partei wieder aufzurichten. „Mit mörderischem Aufwand“ habe er bei der CSU fast drei Jahre gebraucht, erinnert er. So viel Zeit hat man in Berlin nicht.

Angela Merkel droht nicht

Mehr noch: Was ist, wenn das Gelbfieber die Union ansteckt? Die Frage ist nicht länger ein Tabu. Seehofer: „Es wäre ein schwieriger Moment, wenn eine Infektionsgefahr auftreten würde. Das wäre der Punkt, an dem man schon nachdenken müsste.“ Jeder wisse, wie ernst die Situation sei. CDU-Chefin Angela Merkel droht nicht. Sie schätzt Rösler. Für ihn spricht, dass er anders als Westerwelle nicht aus der Opposition kommt, sondern in der Regierung – erst in Niedersachsen, nun im Bund – politisch sozialisiert wurde. Wer so viel Realitätssinn besitzt, so die Hoffnung, der verändert auch das Ge­sicht seiner Partei.

Ohnehin gibt es zwei Lesarten zu den Vorgängen in der FDP. Eine lautet: Guido Westerwelle den Vorsitz zu entreißen, reiche nicht. Den Jüngeren um Rösler habe der Mut zum harten Schnitt gefehlt. Anhänger der These weisen genüsslich darauf hin, wie Westerwelle Dienstag in der FDP-Spitze eine Jobgarantie für sich als Außenminister, für den Kabinettskollegen Brüderle und Fraktionschefin Birgit Homburger rausholte und zu Protokoll gab („Dann ist das für den Rest der Legislaturperiode so beschlossen“).

Vieles bleibt auffällig offen

Es gibt aber eine zweite Lesart, die Rösler und Generalsekretär Christian Lindner maliziöser erscheinen lässt. Da­nach lässt das Duo die Stimmung (und den Faktor Zeit) in der FDP wirken. Was am Dienstag protokolliert wurde, hätte bloß eine kurze Halbwertzeit. Eine echte Zäsur würden schon die Delegierten auf dem Parteitag erzwingen.

Auffällig ist, wie Rösler alles offen lässt. Lindner bleibt. An einer weiteren Schaltstelle platziert Rösler mit Patrick Döring einen Vertrauten als Schatzmeister. Ansonsten wirkt er im Hintergrund und lässt die Kraft wirken. Über alle Posten gibt es ein Hauen und Stechen.

Taktieren der Länder

Auch wollen die Stimmen nicht verstummen, die Westerwelle als Außenminister in Frage stellen. Es sind, zugegeben, die üblichen Verdächtigten, Gerhart Baum oder Jörg-Uwe Hahn aus Hessen: „Warum macht Guido Westerwelle nicht richtig Schluss?“ Wieder andere nehmen den amtierenden FDP-Chef in Schutz, greifen dafür Homburger oder Brüderle an. Für die jungen Liberalen in Bayern personifiziert er die „Unglaubwürdigkeit der FDP“.

Einzelstimmen. Und doch: Ein Chor, der anschwellen und den Parteitag prägen könnte. Hinter den Kulissen tarieren derweil starke Verbände wie Hessen, NRW oder Baden-Württemberg das Personaltableau aus. Alle wollen in der Führung vertreten sein. Alle Generationen sollen sich darin wiederfinden können.

Brüderle wartet ab

Nur, wer soll als Partei-Vize die Älteren ansprechen, Brüderle oder Kabinettskollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger? Brüderle wartet ab, taktiert – Homburger nicht mehr. Für das Präsidium tritt sie nicht wieder an. Rösler musste dafür keinen Schuss abgeben. So sieht der Neuanfang des Leisetreters aus.