Berlin. .

Der scheidende FDP-Chef Guido Westerwelle zieht sich auch als Stellvertreter von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zurück. "Es ist völlig klar, dass der nächste Parteivorsitzende, wenn er dem Kabinett angehört, auch Vizekanzler wird", sagte Westerwelle nach Angaben aus Teilnehmerkreisen im FDP-Präsidium am Montag in Berlin.

Nach Westerwelles Rückzugs-Ankündigung hat die FDP noch keine Nachfolgelösung gefunden. Generalsekretär Christian Lindner sagte nach einer Präsidiumssitzung, er rechne mit einer Benennung von Kandidaten am Dienstag. Zuvor hatten Medien bereits berichtet, alles laufe auf Gesundheitsminister Philipp Rösler als neuen Parteichef zu. Das wies Lindner ausdrücklich zurück. Er ließ offen, ob er selbst antritt.

Westerwelle hatte am Sonntagabend erklärt, er werde beim Parteitag im Mai nicht erneut antreten. Präsidiumsmitglieder hatten noch am Montagmorgen eine rasche Nachfolgeregelung angekündigt. Nun sagte Lindner zur Präsidiumssitzung: "Wir haben über diese Frage ausdrücklich nicht gesprochen." Das in großen Teilen ausscheidende Präsidium sei für die Personalfrage nicht das richtige Gremium. Vielmehr solle die neue Führungsspitze bei Treffen des Präsidiums mit den Landesvorsitzenden und der Bundestagsfraktion am Dienstag besprochen werden.

Bahr für Neuanfang

Der nordrhein-westfälische FDP-Chef Daniel Bahr warb für einen personellen Neuanfang. Nur eine einzige personelle Veränderung reiche nicht. "Wir müssen über die ganze Mannschaftsaufstellung reden, die uns in den nächsten Jahren erfolgreich führen soll." Beim Bundesparteitag im Mai in Rostock wird das gesamte Präsidium neu gewählt.

Auch Lindner sagte, die neue FDP-Spitze werde als Team agieren. "Fraglos ist die FDP gegenwärtig in einer schwierigen Situation", sagte der Generalsekretär. Die Partei habe an Vertrauen und Glaubwürdigkeit verloren. Sinnvoll sei es deshalb, nun zu einer neuen Aufstellung zu kommen und mit anderen Argumenten den Dialog zu potenziellen Unterstützern neu aufzunehmen.

Es werde aber keine "Veränderung der politischen Identität der FDP" geben, betonte Lindner. Leitgedanken der Freidemokraten blieben die soziale Marktwirtschaft, der Rechtsstaat und die gesellschaftspolitische Liberalität. Als Kernthemen nannte er die Bildung, den aktivierenden Sozialstaat sowie die Generationengerechtigkeit. Für den anstehenden Bundesparteitag werde in den kommenden Tagen und Wochen ein programmatisches Grundgerüst erarbeitet.

Westerwelle stellt Vizekanzlerposten zur Verfügung

Westerwelle selbst kündigte in der Präsidiumssitzung an, dem künftigen FDP-Chef auch das Amt des Stellvertreters von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Verfügung zu stellen. Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen sagte er: "Es ist völlig klar, dass der nächste Parteivorsitzende, wenn er dem Kabinett angehört, auch Vizekanzler wird."

Die Sitzung des Präsidiums begann am Montag zunächst ohne Rösler, der auf dem Weg von Hannover nach Berlin im Stau steckte, wie es aus seinem Umfeld hieß. Westerwelle kam in Begleitung von Präsidiumsmitglied Silvana Koch-Mehrin um 9.20 Uhr in den Beratungsraum. Sie überreichte ihm einen Strauß weißer Blumen.

Lindner würdigte anschließend ausführlich die politischen Leistungen Westerwelles. Dieser habe in 17 Jahren zur Stärkung der Liberalen beigetragen. In 33 von 44 Wahlen seit 2001 habe die FDP Stimmenzugewinne verbucht. Als Außenminister werde er auch künftig zum Führungsteam der FDP gehören. Westerwelle bleibe an Bord.

Brüderle bekräftigt Gestaltungsanspruch

Der umstrittene Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle will nach Lindners Worten weiter in der FDP-Spitze aktiv bleiben. Brüderle habe nicht nur in der Präsidiumssitzung, sondern auch in einem Zeitungsbeitrag seinen Gestaltungsanspruch deutlich gemacht und Prioritäten für die weitere politische Arbeit benannt. Dies sei im FDP-Präsidium einmütig zur Kenntnis genommen worden.

In der FDP steht Brüderle seit der sogenannten Protokoll-Affäre unter Kritik. Der stellvertretende Parteivorsitzende soll kurz vor den wichtigen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz bei einem Gespräch mit der Führung des Bundesverbands der Deutschen Industrie einen Zusammenhang zwischen Atomwende und Wahlkampf hergestellt haben, den die Bundesregierung stets bestritten hatte. Ihm wird nun vorgeworfen, der Glaubwürdigkeit von Schwarz-Gelb geschadet zu haben. Auch Fraktionschefin Birgit Homburger steht in der Partei unter Druck. Ihr wird Führungsschwäche nachgesagt.

Westerwelles Weg

1985: Ein neues Gesicht in der Politik. Der damals 23-jährige Guido Westerwelle hält als Vorsitzender der Jungen Liberalen eine Rede anlässlich des fünfjährigen Bestehens des FDP-Jugendverbandes. 1983...
1985: Ein neues Gesicht in der Politik. Der damals 23-jährige Guido Westerwelle hält als Vorsitzender der Jungen Liberalen eine Rede anlässlich des fünfjährigen Bestehens des FDP-Jugendverbandes. 1983... © WNM
...war der Jurastudent zum Bundesvorsitzenden der
...war der Jurastudent zum Bundesvorsitzenden der "Julis" gewählt worden. In dieser Funktion... © imago stock&people WNM
...hatte er früh Kontakt zu den führenden Köpfen der Partei. Hier spricht er mit dem damaligen FDP-Vorsitzenden und Außenminister Hans-Dietrich Genscher beim Parteitag 1986. Westerwelle rückte 1988 in den Bundesvorstand auf und...
...hatte er früh Kontakt zu den führenden Köpfen der Partei. Hier spricht er mit dem damaligen FDP-Vorsitzenden und Außenminister Hans-Dietrich Genscher beim Parteitag 1986. Westerwelle rückte 1988 in den Bundesvorstand auf und... © imago stock&people WNM
...bekleidete ab 1994 den Posten des Generalsekretärs. In dieser Funktion...
...bekleidete ab 1994 den Posten des Generalsekretärs. In dieser Funktion... © WNM
...musste Westerwelle die Wahlniederlage 1998 und das Ende der schwarz-gelben Koalition unter Helmut Kohl akzeptieren. Seinem persönlichen Aufstieg tat dies keinen Abbruch. 2001...
...musste Westerwelle die Wahlniederlage 1998 und das Ende der schwarz-gelben Koalition unter Helmut Kohl akzeptieren. Seinem persönlichen Aufstieg tat dies keinen Abbruch. 2001... © WNM
...wurde er als Nachfolger von Wolfgang Gerhardt (l.) zum bis dato jüngsten Parteivorsitzenden der FDP gewählt. Westerwelle machte sich daran,...
...wurde er als Nachfolger von Wolfgang Gerhardt (l.) zum bis dato jüngsten Parteivorsitzenden der FDP gewählt. Westerwelle machte sich daran,... © WNM
...den Liberalen neue Schlagkraft zu verleihen. Im Wahlkampf 2002...
...den Liberalen neue Schlagkraft zu verleihen. Im Wahlkampf 2002... © WNM
...wollte er der Partei ein junges, hippes, spaßiges Image verpassen. Zum Markenzeichen seiner Kampagne wurde sein Wahlkampfbus, das
...wollte er der Partei ein junges, hippes, spaßiges Image verpassen. Zum Markenzeichen seiner Kampagne wurde sein Wahlkampfbus, das "Guidomobil." Mit der ungewöhnlichen Strategie... © WNM
...peilte Westerwelle ein Wahlergebnis von 18 Prozent an. Doch der Plan ging nicht auf, die FDP erntete viel Hohn und Spott aber zu wenig Stimmen. Trotzdem hielt sich Westerwelle nicht nur im Amt sondern stellte klar,...
...peilte Westerwelle ein Wahlergebnis von 18 Prozent an. Doch der Plan ging nicht auf, die FDP erntete viel Hohn und Spott aber zu wenig Stimmen. Trotzdem hielt sich Westerwelle nicht nur im Amt sondern stellte klar,... © WNM
...wer Koch und wer Kellner in der FDP ist. Im parteiinternen Machtkampf setzte er sich erneut gegen Wolfgang Gerhardt durch und übernahm von ihm Anfang 2006 auch das Amt als Fraktionsvorsitzender. Sein Status...
...wer Koch und wer Kellner in der FDP ist. Im parteiinternen Machtkampf setzte er sich erneut gegen Wolfgang Gerhardt durch und übernahm von ihm Anfang 2006 auch das Amt als Fraktionsvorsitzender. Sein Status... © WNM
...als Alleinherrscher über die FDP stieß innerhalb der Partei auf überraschend wenig Widerstand. Die verbliebenen Kritiker verstummten,...
...als Alleinherrscher über die FDP stieß innerhalb der Partei auf überraschend wenig Widerstand. Die verbliebenen Kritiker verstummten,... © ddp
...als die FDP bei der Bundestagswahl 2009 mit 14,6 Prozent das beste Wahlergebnis ihrer Geschichte einfuhr. Westerwelles großes Vorbild...
...als die FDP bei der Bundestagswahl 2009 mit 14,6 Prozent das beste Wahlergebnis ihrer Geschichte einfuhr. Westerwelles großes Vorbild... © ddp
...Hans-Dietrich Genscher (l.) gratulierte zu dem historischen Erfolg, der die Liberalen...
...Hans-Dietrich Genscher (l.) gratulierte zu dem historischen Erfolg, der die Liberalen... © ddp
...zurück auf die Regierungsbank beförderte. In der schwarz-gelben Koalition unter Angela Merkel übernimmt Westerwelle das Amt des Vizekanzlers...
...zurück auf die Regierungsbank beförderte. In der schwarz-gelben Koalition unter Angela Merkel übernimmt Westerwelle das Amt des Vizekanzlers... © ddp
...sowie das des Außenministers. Hier verabschiedet er seinen SPD-Vorgänger Frank-Walter Steinmeier (r.). Westerwelles Ambition ist es, in die Fußstapfen großer FDP-Außenminister wie Walter Scheel und eben Genscher zu treten. Zum ersten Schaulaufen...
...sowie das des Außenministers. Hier verabschiedet er seinen SPD-Vorgänger Frank-Walter Steinmeier (r.). Westerwelles Ambition ist es, in die Fußstapfen großer FDP-Außenminister wie Walter Scheel und eben Genscher zu treten. Zum ersten Schaulaufen... © ddp
...ging es für ihn zum EU-Gipfel nach Brüssel - sein erster Auftritt auf internationalem Parkett in seinem neuen Amt. Im Anschluss begab er sich...
...ging es für ihn zum EU-Gipfel nach Brüssel - sein erster Auftritt auf internationalem Parkett in seinem neuen Amt. Im Anschluss begab er sich... © AFP
...auf seine Vorstellungsrunde quer durch Europa. Westerwelle traf sich in Paris mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy (m.) und...
...auf seine Vorstellungsrunde quer durch Europa. Westerwelle traf sich in Paris mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy (m.) und... © AP
...Außenminister Bernard Kouchner (r.), in den Niederlanden...
...Außenminister Bernard Kouchner (r.), in den Niederlanden... © AP
...mit Premierminister Jan Peter Balkenende (r.) und...
...mit Premierminister Jan Peter Balkenende (r.) und... © AFP
...in Polen mit Präsident Lech Kaczynski (r.). Während sich Westerwelle als deutscher Chefdiplomat zunächst Anerkennung erarbeiten muss,...
...in Polen mit Präsident Lech Kaczynski (r.). Während sich Westerwelle als deutscher Chefdiplomat zunächst Anerkennung erarbeiten muss,... © AFP
...ist seine Homosexualität längst akzeptiert. 2001 outete sich Westerwelle (hier mit Lebensgefährte Michael Mronz, r.) als zweiter deutscher Spitzenpolitiker nach Klaus Wowereit.
...ist seine Homosexualität längst akzeptiert. 2001 outete sich Westerwelle (hier mit Lebensgefährte Michael Mronz, r.) als zweiter deutscher Spitzenpolitiker nach Klaus Wowereit. © ddp
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