Brüssel. . Regierungschef Sócrates wollte das eigentlich vermeiden. Portugal muss um europäische Notkredite bitten. Warum Portugal jetzt Hilfe braucht und was das für Deutschland bedeutet.

Nach Griechenland und Irland wird das verschuldete Portugal um europäische Hilfskredite bitten. Das kündigte der amtierende Ministerpräsident José Sócrates der EU-Kommission an. Experten hatten den Hilferuf seit Monaten erwartet.

Wie viel Geld Portugal benötigt, ist noch nicht bekannt. Das Land müsse erst einen offiziellen Hilfsantrag stellen, sagte ein EU-Kommissionssprecher am Donnerstag. Dann würden Details ausgearbeitet. Spekulationen zufolge dürfte Portugal in den nächsten Jahren 60 bis 80 Milliarden Euro brauchen.

Warum will Portugal Hilfe?

Auch interessant

Für das Land wurde es immer teurer, sich an den Finanzmärkten – zum Beispiel bei Banken und Versicherern – Geld zu borgen. Potenzielle Geldverleiher sorgten sich immer mehr darum, ob Portugal seine Anleihen voll und fristgerecht zurückzahlen würde. Dazu trugen auch Rating-Agenturen bei. Sie analysieren die Kreditwürdigkeit eines Landes. Zu Portugal äußerten sie sich jüngst immer kritischer.

Zudem steckt Portugal in einer Regierungskrise. Im März erklärte Ministerpräsident Sócrates seinen Rücktritt. Die Opposition hatte ein striktes Sparpaket aus Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen seiner Regierung abgelehnt. Ihr Nein begründete die Opposition damit, dass die vierte Sparrunde binnen eines Jahres vor allem zu Lasten der Schwächeren der Gesellschaft wie Rentnern gehe.

Sócrates ist bis zu Neuwahlen nur geschäftsführend im Amt. Bisher sträubte er sich gegen ein Hilfsgesuch. Nun sagte er, die Risiken für die Wirtschaft seien zu groß geworden. Zuvor hatten portugiesische Banken gewarnt, sie könnten dem Staat nicht unbedingt neues Geld leihen.

Wie funktioniert die Nothilfe?

Für europäische Länder in Not gibt es seit Mai 2010 einen Rettungsschirm. Er wurde aufgespannt, nachdem Griechenland an den Rand der Pleite geriet und Milliardenhilfe brauchte. Irland flüchtete im November als erster Euro-Staat unter den Schirm.

Der Rettungsmechanismus für klamme europäische Länder hat ein Volumen von 750 Milliarden Euro. Er besteht aus drei Töpfen für Notkredite. Der erste ist der Fonds für Euro-Länder. Er kann derzeit etwa 250 Milliarden Euro ausleihen, bis Juni soll die Kapazität auf 440 Milliarden Euro steigen. Für Sonderkredite stehen zudem die EU-Kommission mit bis zu 60 Milliarden Euro und der Internationale Währungsfonds (IWF) mit 250 Milliarden Euro bereit. Ein Staat erhält Notkredite aber nur unter strengen Spar- und Reform-Auflagen.

Was bedeutet Portugals Hilfe für Deutschland?

Deutschland muss kein Geld nach Portugal oder in den Rettungsfonds für Euro-Länder überweisen. Denn dieser Fonds funktioniert so: Im Krisenfall holt er sich Geld an den Finanzmärkten, indem er Schuldverschreibungen verkauft. Garantiert werden diese Anleihen von Deutschland und den anderen 16 EU-Ländern, die den Euro eingeführt haben. Deutschland müsste also nur zahlen, falls Portugal Notkredite nicht abstottern kann.

Hat Portugals Notruf einen Domino-Effekt?

Derzeit wohl nicht. Unter anderem sieht die Bundesregierung keine Gefahr einer Kettenreaktion und erwartet, dass sich die Finanzmärkte beruhigen. Bis vor einiger Zeit hatten sich Finanzmarkt-Akteure auch um Portugals größeres Nachbarland Spanien gesorgt. Dessen Banken und Wirtschaft sind seit der Weltfinanzkrise angeschlagen. Doch das verschuldete Land spart und reformiert Arbeitsmarkt sowie Bankenbranche. Spanien hofft, dass seine Wirtschaftsleistung in den nächsten zwei Jahren um je über zwei Prozent steigt. Wirtschaftsministerin Elena Salgado hält es daher für „absolut ausgeschlossen“, dass Portugals Krise auf Spanien überspringt.