Brüssel. . Die Europäische Union hat nach schwierigen Verhandlungen einen neuen ständigen Euro-Rettungsschirm beschlossen. Umfang: 700 Milliarden Euro. Deutschland muss neben 168 Milliarden Euro an Bürgschaften auch 22 Milliarden Euro direkt überweisen.

Die EU-Staaten haben die umfassendste Reform des Euro seit seiner Einführung beschlossen: Die Gemeinschaftswährung soll mit Strafen für Defizitsünder, einem Pakt für mehr Wettbewerbsfähigkeit und einem ständigen Fonds für Notkredite auf Dauer gegen weitere Schuldenkrisen gesichert werden. Doch einige Fragen bleiben noch zu lösen.

Angesichts des Atomunglücks in Japan forderten die Staaten die EU-Kommission zudem auf, „Stresstests“ für die 143 europäischen Atomkraftwerke auszuarbeiten. Die Sicherheitsprüfungen wären aber freiwillig. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte: „Die Lehre aus Japan muss sein: einheitliche Stresstests in Europa.“

Falls ein deutscher Meiler durch den Test falle, werde er nicht unbedingt vom Netz genommen: „Stilllegen ist eine Option, es gibt auch die Option der Nachrüstung“, sagte Merkel. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy plant härtere Folgen: „Ein Kraftwerk, das den Test nicht besteht – ich spreche für Frankreich –, wird geschlossen.“ Frankreich mit seinen 58 Meilern setzt vor allem auf Atomstrom.

„Klares Bekenntnis zum Euro“

Ähnlich werten Merkel und Sarkozy die Verabschiedung des Euro-Rettungspakets. „Es gibt jetzt das klare politische Bekenntnis zum Euro“, sagte Merkel. Sarkozy nannte es „gigantisch“, was Europa binnen Jahresfrist – im Frühjahr 2010 drohte Griechenland die Pleite – erreicht habe. Die europäische Wirtschaftsregierung stehe, der dauerhafte Rettungsschirm komme: „Was soll man sonst noch machen.“ EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy sagte, der Richtungswechsel mit der Euro-Reform sei „nicht ohne Dramen“ erfolgt.

Ab 2013 soll ein ständiger Krisenfonds über 700 Milliarden Euro im Notfall Kredite an Euro-Staaten vergeben. Die Euro-Länder geben Garantien über 620 Milliarden und zahlen 80 Milliarden Euro in bar ein. Deutschland muss für 168 Milliarden Euro bürgen und knapp 22 Milliarden Euro in bar überweisen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) setzte durch, dass die Raten länger gestreckt werden als geplant. Das Geld wird nun ab 2013 in fünf Jahresraten zu je rund 4,3 Milliarden Euro überwiesen. Die Bareinlage ist notwendig, da der Fonds sich für Hilfskredite selber Geld leiht und dafür möglichst geringe Zinsen zahlen soll. Von den 700 Milliarden kann der Fonds wegen nötiger Sicherheitsrücklagen 500 Milliarden einsetzen. Der Fonds darf dabei auch direkt Staatsanleihen von Euro-Ländern kaufen.

Haushaltsplanungen der Mitgliedsstaaten sollen strenger kontrolliert werden

Künftig drohen Geldstrafen nicht nur bei einer zu hohen Neuverschuldung von mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), sondern auch bei einem Gesamtschuldenstand von mehr als 60 Prozent des BIP. Wird ein Defizitverfahren eingeleitet, muss das Sünderland ein Pfand von 0,2 Prozent seines BIP hinterlegen. Befolgt es dann nicht Empfehlungen zur Behebung des Missstandes, wird das Pfand einkassiert und fließt an den Euro-Rettungsfonds. Zudem werden die Haushaltsplanungen der Mitgliedstaaten strenger kontrolliert.

Enge Abstimmung in der Sozial-, Steuer- und Haushaltspolitik

Die 17 Euro-Länder wollen sich freiwillig in der Sozial-, Steuer- und Haushaltspolitik eng abstimmen. Dieser von Merkel angeregte Pakt soll die Euro-Zone wettbewerbsfähiger machen, ist jedoch offen für die übrigen EU-Länder. Mitmachen wollen auch Polen, Bulgarien, Dänemark, Rumänien, Litauen und Lettland. Jährlich werden nun Ziele zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit vereinbart. Bei der Haushaltspolitik wird etwa eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild vorgeschlagen. Letztlich entscheiden aber die nationalen Regierungen über die Art der Umsetzung. Sanktionen sind nicht vorgesehen. Die Öffentlichkeit, die Finanzmärkte sowie die anderen Staaten sollen den nötigen Druck ausüben.

Die Lage in Portugal und Irland bleibt unklar

Der derzeitige Rettungsfonds, EFSF im Expertenjargon, läuft noch bis Mitte 2013 und wird dann von dem ständigen Fonds abgelöst. Auch er vergibt Notkredite an hoch verschuldete Euro-Länder, als erstes Land nahm Irland die Hilfen in Anspruch. Bis zum Sommer soll nun noch geregelt werden, wie die tatsächliche Ausleihkraft durch weitere Garantien von rund 250 Milliarden Euro auf 440 Milliarden Euro erhöht werden kann – die finnische Regierung steht vor Neuwahlen und will im Moment keine weiteren Garantien vergeben. Bislang steht Deutschland bereits für rund 120 Milliarden Euro ein. Künftig kann der Fonds Euro-Ländern auch direkt Staatsanleihen abkaufen.

Als nächstes Land könnte Portugal Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds beantragen. In Lissabon ist die Regierung über ein Sparpaket gestürzt, das genau dies verhindern sollte. Ratingagenturen stuften die Kreditwürdigkeit des Landes umgehend herab – damit wird es für Portugal noch schwerer, sich am Markt Geld zu leihen. Als mögliche Summe für Hilfen sind 75 Milliarden Euro im Gespräch. Irland will bessere Bedingungen für die Rückzahlung seiner Notkredite wie geringere Zinsen. Doch damit stößt Dublin bislang auf Widerstand, da es nicht zu Zugeständnissen bereit ist. Das könnte sich ändern, wenn Irland etwa seine umstrittene Unternehmenssteuer anhebt. Der Satz von nur 12,5 Prozent ist vielen EU-Ländern ein Dorn im Auge, da er zahlreiche Unternehmen nach Irland gelockt hat. (sbi/afp)