Berlin. . Der zuletzt erbittert geführte Machtkampf um die FDP-Führung ist entschieden: Nach zähem Ringen und einem spannenden Nachmittag tritt Guido Westerwelle beim Bundesparteitag im Mai nicht mehr für das Amt des Vorsitzenden an.
Der Kampf um den Parteivorsitz der FDP hatte sich schon fast zum Nervenkrieg entwickelt. Da fiel am Abend dann doch noch die Entscheidung. Guido Westerwelle geht von Bord. Die FDP muss sich einen neuen Kapitän suchen.
Lange Zeit blieb völlig offen, ob es heute in den Führungsgremien zum verlustreichen Showdown kommt. Oder ob in letzter Minute eine für alle Beteiligten gesichtswahrende Lösung gefunden werden kann.
Ereignisreicher Nachmittag
Ein dem Vernehmen nach vereinbartes Treffen von Westerwelle mit Wortführern der internen Erneuerungsbewegung um Gesundheitsminister Philipp Rösler, Generalsekretär Christian Lindner und NRW-Landeschef Daniel Bahr stand am Mittag plötzlich wieder auf der Kippe.
Stattdessen telefonierten sich diverse Top-Liberale stundenlang die Köpfe heiß. Kurz-Bulletin gegen 13 Uhr: Von „Guido behält alle Ämter“ bis „Guido schmeißt alles hin“ sei „noch alles im Topf“, sagte ein entnervt klingendes Vorstandsmitglied dieser Zeitung.
Es kristallisierte sich heraus, dass Westerwelle auf Zeit zu spielen versuchte und keinen zügigen Abgang für sich vorsah. Dass er, wie immer mehr einflussreiche Parteifunktionäre seit Tagen unverhohlen forderten, an diesem Montag im Präsidium von Vorsitz und Vizekanzlerschaft ablässt und einem Jüngeren Platz macht, sei „pures Wunschdenken“, sagte ein Westerwelle-Vertrauter am frühen Nachmittag dieser Zeitung.
Die Strategie Westerwelles sei vielmehr, erst ein Gesamt-Tableau aus „neuem Personal und neuer Programmatik“ zu erstellen und die Entscheidung über die eigene Person womöglich erst kurz vor dem Rostocker Parteitag (13.-15.Mai) zu fällen.
Ein Gedanke, der nicht nur Daniel Bahr, Landesvorsitzender in NRW, nicht behagte. „Die Partei wird nicht akzeptieren, wenn sich am Montag nichts verändert“, sagte er im Vorfeld.
Personalie Rösler nicht unproblematisch
Interessierte Kreise streuten darum schon am Samstagabend mit einiger Entschlossenheit, dass Gesundheitsminister Philipp Rösler bereit sei, die Nachfolge Westerwelles anzutreten. Als Ausweis seiner angeblichen Ambitionen mussten Interview-Passagen in einer Sonntagszeitung herhalten. Dort hatte Rösler, dem öffentlich bis zuletzt nie ein böses Wort gegen Westerwelle über die Lippen kam, betont: „Wir müssen uns wieder mehr um die Lebenswirklichkeit der Menschen kümmern.“
Eindeutige Belege für Röslers Kandidatur gab es bis zum Abend nicht. „Wir haben keinen Zeitdruck“, sagte ein Weggefährte des Niedersachsen.
Die Personalie wäre auch nicht ganz unproblematisch. Es gilt als abwegig, dass der 38-Jährige als Parteichef Gesundheitsminister bliebe; zu unpopulär ist das Amt; als dass es nicht auf den Parteijob abfärbte. Ein Wechsel ins Wirtschaftsressort wäre machbar. Vorausgesetzt, es gelänge, den dort tätigen Rainer Brüderle gesichtwahrend abzuziehen.
Lindner stünde bereit
Sollte die Variante Rösler scheitern und auch keine andere Alternative mehrheitsfähig werden, stünde Generalsekretär Lindner (32) als neuer Parteichef zur Verfügung.
Am Nachmittag war aus dem Umfeld der aufstrebenden FDP-Garde zu hören, dass Westerwelle nicht unterschätzen möge, wie groß das Verlangen der Partei „nach einem radikalen Schnitt“ sei. Verpasse der Vorsitzende die Gelegenheit zur Machtübergabe, könne nicht ausgeschlossen werden, dass der dann entstehende Unmut ihn auch aus dem Amt des Außenministers katapultiert.
Westerwelle muss die Warnung vernommen haben. Um 18 Uhr verkündete er in der Berliner Parteizentrale den Verzicht auf eine erneute Kandidatur in Rostock. „Ich kann Ihnen versichern, dass das natürlich ein besonderer Tag ist, ein besonderer Tag auch für mich selbst“, sagte er. Das Westerwellesche Jahrzehnt in der FDP, es ist vorbei.