Washington. .

Kein Science-Fiction, sondern Wirklichkeit: Die USA bereiten sich längst darauf vor, dass Kriege künftig auch im Netz geführt werden könnten. Viel Geld – schätzungsweise sechs bis sieben Milliarden Dollar – gibt Washington pro Jahr dafür aus, für Angriffe aus der Cyber-Welt ausreichend gerüstet zu sein.

Seit Mai dieses Jahres bündelt das „US Cyber Command“ die Einsätze an der Online-Front. Bislang hatten sich die Aufgaben auf vier verschiedene Geheimdienste verteilt. Der Kommandeur der ansonsten streng geheimen Truppe hat schon klar gemacht, dass er die Zuständigkeit seiner Einheit sehr weit auslegt. Zugriff auf E­Mails und soziale Netzwerke verlangt Armeegeneral Keith Alexander, um Amerika vor Angriffen aus dem Cyberspace zu schützen. Der Schock nach den Wikileaks-Enthüllungen gibt den Befürwortern einer stärkeren Kontrolle des Netz-Lebens zusätzlichen Auftrieb.

Der geheimste aller Geheimdienste

Vor allem das Militär macht Stimmung, um Amerikas Öffentlichkeit wach zu rütteln. „Wir führen heute schon einen Krieg im Netz. Und wir sind dabei zu verlieren“, sagt Michael McConnell, der unter George W. Bush die Nationale Sicherheitsbehörde NSA leitete, dem geheimsten unter Amerikas vielen Geheimdiensten.

Ob die Gefahr tatsächlich so groß oder ob das alles nur Panikmache ist, lässt sich auf Anhieb schwer ergründen. Sicher ist: Es geht auch um Geld und Aufträge. McConnell etwa sitzt heute im Vorstand eines Unternehmens, das von Bestellungen des Pentagons lebt. Für 14 Millionen Dollar baute die Firma den Bunker für das neue „Cyber Command“.

Wer der potenzielle Feind jenseits von Wikileaks und Hackergruppen ist, ist indes so recht nicht klar. Geheimdienstexperten, aber auch besonnene US-Militärs halten die kursierenden Bedrohungsszenarien, bei denen Amerika lahm gelegt und ins Chaos gestürzt wird, für arg übertrieben. Zur Verwirrung trägt bei, dass die Grenzen zwischen der Internet-Spionage fremder Mächte und einem „Cyber-Krieg“ reichlich schwammig sind. „Die Leute sind schlampig in ihrer Sprache“, zitierte das Magazin „New Yorker“ einen Unternehmer, der für das Pentagon arbeitet und als einer der Experten für chinesischen Ideenklau über das Netz gilt. McConnell und andere „puschen den Cyber War, aber ihre Beweislage ist dünn“.

Streit um Federführung

Warum etwa sollten Chinesen in kriegerischer Absicht Wall Street per Netzattacke lahmlegen? „Sie gehört ihnen doch schon“, amüsierte sich James Lewis vom Zentrum für strategische Studien. „Ein Cyber-Krieg würde ihnen so schaden wie uns.“

Hinter den Kulissen läuft derweil die Schlacht, wer letztlich die Federführung bei der Netz-Sicherheit inne hat, das Militär oder die Politik. Für die Zukunft des bislang offenen Netzes hat Folgen, wer in diesem Ringen siegt. Formal hat das US-Heimatschutz-Ministerium die Verantwortung für die zivile und private Infrastruktur. Aber die militärische Führung ist überzeugt, dass der Behörde, die in den nächsten drei Jahren 1000 Internet-Spezialisten zusätzlich einstellen will, Kapazitäten fehlen, um Strom- und Online-Netze ausreichend zu schützen.

Aber auch Amerikas oberster „Cyber-Krieger“ General Alexander will vom Begriff „Krieg“ nicht reden. „Krieg ist ein großes Wort.“ Natürlich bereite man sich vor. „Man sieht nicht einen Krieg herauf ziehen und unternimmt dann nichts.“ Aber zur gleichen Zeit „haben wir unsere Verkehrswege offen zu halten“.