Berlin. Nach dem mutmaßlichen Anschlag von München warnt Sicherheitsexperte Jochen Kopelke vor Einzeltätern und Drahtziehern aus dem Ausland.

In Magdeburg war es ein Weihnachtsmarkt, in München eine Gewerkschaftskundgebung: Ein Auto rast in eine Menschenmenge, es gibt zahllose Opfer. Wenige Tage vor der Bundestagswahl, zwei Wochen vor Karneval sind zwar viele Details der Tat von München noch offen. Doch die Verunsicherung ist groß. Jochen Kopelke, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), warnt: „Das Problem sind Einzeltäter und terroristische Organisationen aus dem Ausland, die gezielt Menschen anwerben.“

Müssen wir jetzt damit rechnen, dass Menschenansammlungen aller Art Ziel für Anschläge werden?

Jochen Kopelke: Es war wieder ein Auto, es war wieder ein Täter, der gezielt in die Menge gefahren sein soll. Terror versucht immer auf Menschenansammlungen, auf Gruppen zu zielen, die friedlich unterwegs sind.

Gewerkschaft der Polizei
Jochen Kopelke ist Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) © DPA Images | Wolfgang Kumm

Ende Februar starten die Karnevalsumzüge. Sollte man das absagen? Kann man überhaupt noch mit ruhigem Gefühl dabei sein?

Kopelke: So bitter es ist, wir dürfen uns nicht in unserer Freiheit einschränken lassen. Aber: Nach einer solchen Tat werden die Polizeien in den Ländern sich anders auf Karneval vorbereiten. Es wird eine bundesweite Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen geben. Anschläge dürfen nicht dazu führen, dass unsere Freiheit, unsere Feiern, unsere Traditionen beschädigt werden. Zum Karneval, zum Fußball, zu Demos oder einfach zu Wahlkampfauftritten wird man weiter gehen können müssen. Man kann auf die Polizei vertrauen, auch wenn der Eindruck entsteht, dass bestimmte Situationen nicht mehr sicher sind.

 Wie kann man die Sicherheit konkret verbessern?

Kopelke: Wir brauchen mehr Personal im Einsatz, mehr Videoüberwachung und mehr technische Sperren, damit Autos nicht mal in die Nähe von Versammlungen kommen können. Der Deutsche Bundestag hätte diese Woche die notwendigen Gesetze beschließen müssen.

Müssen wir und darauf einstellen, dass solche Taten zunehmen?

Kopelke: Das Problem sind Einzeltäter und terroristische Organisationen aus dem Ausland, die gezielt Menschen anwerben. Unsere Bevölkerung muss sich darauf einstellen, dass wir mehr Sicherheit brauchen. Es gibt immer mehr Straftaten und es gibt immer mehr Opfer. Wir leben in Krisenzeiten. Es hilft nicht, jetzt mit Populismus und Rassismus gegen Geflüchtete zu reagieren. Diese Gesellschaft muss einen anderen Umgang mit Sicherheit entwickeln, die Politik muss endlich die Sicherheitsgesetze verabschieden, die auf dem Tisch liegen.

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Meine schwerste Entscheidung

Ist es denkbar, dass solche Anschläge auch darauf zielen, Deutschland kurz vor der Bundestagswahl zu destabilisieren?

Kopelke: Absolut. Terrororganisationen auf der ganzen Welt haben Deutschland als Ziel. Sie wollen Angst und Schrecken verbreiten - und die Demokratie destabilisieren.

Auch Russland könnte ein Interesse daran haben, Deutschland zu destabilisieren.

Kopelke: Der Bundesverfassungsschutz beobachtet ganz klar, dass es Versuche aus dem Ausland und gerade auch von Russland gibt, den Wahlkampf zu beeinflussen.