Berlin. AfD und andere wollen Windkraft stoppen – auch zum Schutz der „Heimat“. Die Verbindung von „Volk“ und Natur hat eine lange Tradition.

Auf dem Parteitag der AfD im sächsischen Riesa wählten die Delegierten Alice Weidel zur Kanzlerkandidatin. Weidel hielt eine lange Rede, bekam immer wieder Applaus. So auch bei einer Passage, als sie in den Saal rief: „Wenn wir am Ruder sind, wir reißen alle Windkraftwerke nieder. Nieder mit diesen Windmühlen der Schande.“

Weidel ruderte später zurück, eine bekannte Taktik von Populisten. Windkraft wolle man auch weiterhin als Energiequelle nutzen, nur ohne Subventionen. Aktuell macht Windkraft ein Viertel des deutschen Energiemixes aus.

Alternative for Germany (AfD) Holds Party Congress As Federal Elections Near
Im Aufwind: AfD-Chefin Alice Weidel. Auf dem Parteitag wurde sie einstimmig zur Spitzenkandidatin gewählt. © Getty Images | Sean Gallup

Anders der Thüringer Landeschef der AfD und Rechtsextreme Björn Höcke. Dieser hob in Riesa hervor, man wolle Wind-Industrieanlagen „rechtsstaatskonform“ abwickeln, offenbar komplett. Weidel und Höcke sind mit ihren Parolen gegen die Stromquellen aus Wind nicht allein in der Partei. Die Fraktion im Kreistag Saale-Orla macht mobil mit dem Slogan „Wir gegen Windkraft!“.

Die AfD spricht vom „Windkraft-Wahn“. Und auch der künftige US-Präsident Donald Trump zeigt sich so drastisch wie Höcke. Trump kündigte nun an, während seiner zweiten Amtszeit den Bau neuer Windräder in den USA unterbinden zu wollen – und zwar vollständig.

Windkraft ist ein emotionales Thema – und damit für die AfD geeignet

Studien etwa des Umweltbundesamtes und des Fraunhofer-Instituts wiesen nach, dass Windkraft durchaus effizient und auch kostengünstig ist. Zugleich sind die Kraftwerke umstritten. Nicht nur Rechte demonstrieren gegen den Bau neuer Dutzende Meter hohe Türme. Manchmal geht es um den Schutz der Vögel, um den Kampf gegen Wald, der abgeholzt werden muss. Auch der Naturschutzbund weist „auf gravierende Versäumnisse bei der Standortwahl und Realisierung einzelner Projekte hin“.

Vor allem aber ist Windkraft ein emotionales Thema. Und nach Ansicht von Fachleuten auch deshalb weit oben auf der Agenda der AfD. „Energiepolitik ist nun ein zentrales Aufregerthema in Deutschland, vor allem seit dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine und die Folgen für die Energieversorgung. Diese Empörung will die AfD für sich nutzen“, sagt Florian Teller von der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN) unserer Redaktion.

Gegner der Windkraft tragen ihren Protest oft auf die Straße – oder eben in den Wald. Bürgerinitiativen gründen sich, ziehen mit Transparenten gegen Baupläne los. So war es auch bei den „Montagsdemonstrationen“ gegen die Corona-Schutzmaßnahmen. So ist es auch bei den Bauernprotesten. Immer wieder zieht die AfD vor allem verbal mit auf die Straße. Protest ist ihr Potenzial.

AfD: Weidel für radikalen Politik-Wechsel inklusive "Remigration"

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    Die AfD ist nicht allein. Ein rechter Influencer warnt vor „Schäden“ für die Gesundheit und „asbestartigem Müll“. Auch verschwörungsideologische Gruppierungen machen in den sozialen Netzwerken wie Telegram mobil etwa gegen einen mehr als 300 Meter hohen „Windkraft-Koloss“ in der Lausitz.

    Genau diese letzte Aussage weist auf ein zentrales Motiv hin, weshalb das Thema bei den Rechten so verfängt. Für die AfD und die anderen geht es auch um die Landschaft. Wald, Flüsse, Bäume sind „Heimat“, gehören – wie die Landwirte als „deutsche Kulturlandschaft“ zum „Volk“. Und dies gilt es zu schützen. Windräder gehören nach Ansicht der Rechten dort nicht hin.

    1904 gründete Ernst Rudorff den „Bund Heimatschutz – das Ziel: „Volkstum“ erhalten

    Die Verbindung von „Volk“, Landschaft und Natur hat eine lange Tradition in der Bewegung. 1883 nahm am Drachenfels bei Königswinter die Zahnradbahn den Betrieb auf. Auch damals regte sich Protest, angeführt vom Berliner Komponisten Ernst Rudorff. Die Bahn ersticke den „letzten Rest der Poesie“ des Berges, schrieb er. 1904 gründete er den „Bund Heimatschutz“ – mit dem Ziel, „deutsches Volkstum ungeschwächt und unverdorben zu erhalten“. Juden grenzte er aus dem Bund aus.

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    Heute ist die Drachenfelsbahn eine Touristen-Attraktion. Aber auch Rudorffs Erzählung von „Volk“ und Naturschutz ist bis heute ideologisch für die extreme Rechte relevant. Der Komponist habe die Moderne und die Demokratie verantwortlich für die Umweltverschmutzung und Luftverpestung gemacht, „die durch die Fabriken der Industrialisierung im 19. Jahrhundert überall sichtbar wurde“, sagt Experte Teller. Aus der Naturbewegung sei eine anti-moderne Bewegung gewachsen.

    Erneuerbare Energien machen in Deutschland einen Großteil der Versorgung aus. Umstritten sind sie dennoch. Die radikale Rechte schürt Stimmung gegen Windkraft.
    Erneuerbare Energien machen in Deutschland einen Großteil der Versorgung aus. Umstritten sind sie dennoch. Die radikale Rechte schürt Stimmung gegen Windkraft. © dpa | Sina Schuldt

    Hier zieht Teller auch Parallelen zur politischen Stoßrichtung gerade des völkischen Flügels der AfD. Wenn Politiker gegen „Gender-Wahn“ agitieren, ist das auch eine Ablehnung eines Zeitgeists der Postmoderne. In dieses Narrativ fügt sich auch die Hetze der Partei gegen die Klimaschutzpolitik ein. Für die AfD ist Klimaschutz ein „Eliten-Projekt“, gesteuert von „Lobbyinteressen“. Die EU plane mit Zielen zur Kohlenstoff-Reduktion eine „Große Transformation“, an dessen Ende die „Freiheit“ bedroht sei. Das jedenfalls propagiert die AfD.

    Björn Höcke wollte den Begriff „Klima“ im Wahlprogramm durch „Forsten“ ersetzen

    Der völkische Nationalist Höcke beantragte sogleich, das Wort „Klima“ ganz aus der Kapitelüberschrift im Wahlprogramm zu streichen – und durch das Wort „Forsten“ zu ersetzen. Deutlich wird auch hier eine Nähe, die Höcke inszeniert. Zwischen dem „Volk“ und dem Wald. Der Mythos vom „deutschen Wald“ und den „Deutschen“ als „Waldvolk“ findet sich schon in Schriften und Bildern des frühen 19. Jahrhunderts.

    Schneefälle haben den Rennsteig im Thüringer Wald in eine Winterlandschaft verwandelt. Der Mythos „deutscher Wald“ erlebte im 19. Jahrhundert seiner erste Blüte.
    Schneefälle haben den Rennsteig im Thüringer Wald in eine Winterlandschaft verwandelt. Der Mythos „deutscher Wald“ erlebte im 19. Jahrhundert seiner erste Blüte. © dpa | Michael Reichel

    Es ist die Zeit des „nationalen Erwachens“, auf die auch Höcke zurückgreift. Die Nationalsozialisten unter Hitler radikalisierten diese Ideologie. Die „germanische Rasse“ erwachse aus der „deutschen Erde“.

    Heute sucht etwa die rechtsextreme Identitäre Bewegung, an deren Spitze etwa der Publizist und Aktivist Martin Sellner steht, keinen „Rassenkrieg“ mehr. Und doch strebt sie ideologisch nach einer „Reinheit der Kulturen“. Sie nennt es „Ethnopluralismus“. Die Idee der „Remigration“, die nun auch Alice Weidel immer wieder gezielt aufgreift, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Jedem „Volk“ gehört dabei ein „angestammter Kulturraum“, eine ursprüngliche Landschaft.

    Die Nationalsozialisten waren begeistert von Hermann Honnefs Windkrafträdern

    Von Rudorff über die Nationalsozialisten bis zu den Identitären: Dass Umweltschutz Teil der rechten Bewegung ist, überrascht heute nicht. „Umwelt & Aktiv“ hieß eine Zeit lang ein NPD-nahes Magazin. Kurz vor der Bundestagswahl schreibt die AfD zur Windkraft: „Heimat“ dürfe nicht zu einem „Industriepark verkommen“.

    Fast in Vergessenheit geraten ist Hermann Honnef, ein deutscher Ingenieur. In den 1930er-Jahren, der Zeit nach der großen Wirtschaftskrise, entwarf Honnef Windräder – höher als der Eiffelturm, mit mehreren Rotoren. Er war Pionier in seiner Branche. Und auch einige Funktionäre des Nationalsozialismus setzten auf ihn, träumten vom „Reichskraftturm“. Vor allem im Krieg sollten die Windkraftwerke helfen – dezentral organisiert, weniger anfällig für Bombenangriffe.

    Aus den Plänen wurde nie etwas. Anfang der 1960er-Jahre starb Honnef. Und die Industrie setzte auf Energie aus Kohle und Öl.

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