Berlin. Waffenruhe, Geisel-Austausch und Hoffnung auf Frieden in Gaza. Krisen-Reporter Jan Jessen ordnet ein und fordert umfassende Aufarbeitung.
Die Konfliktparteien in Nahost haben sich auf einen Deal zum Austausch der israelischen Geiseln und palästinensischer Gefangener sowie auf eine Waffenruhe geeinigt. Hamas und Islamischer Dschihad haben dem Abkommen nach langem Zögern zugestimmt. Nach 15 Monaten gibt es endlich Aussicht auf Frieden im Gazastreifen.
In einem ersten Schritt sollen 33 der 94 israelische Geiseln freikommen, darunter auch Keith Siegel aus Kfar Aza. Über sein Schicksal und den Kampf seiner Frau Aviva für seine Freilassung habe ich vor wenigen Tagen einen Artikel geschrieben.
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Im Gegenzug sollen Hunderte palästinensische Gefangene freikommen. Von den Geiseln, die noch im Gazastreifen sind, sollen 34 bereits tot sein. Aber Israel kämpft auch für die Toten. Wie viele unter den 33, die jetzt nach Hause kommen, noch am Leben sind, ist unklar.
Die israelischen Truppen scheinen sich aus neuralgischen Punkten wie dem Philadalephi-Korridor nahe der ägyptischen Grenze zurückgezogen zu haben. Wachtürme werden dort gerade abgebaut. In den vergangenen 15 Monaten sind die israelischen Geiseln und die palästinensischen Zivilistinnen und Zivilisten im Gazastreifen durch die Hölle gegangen.
Mit dem 7. Oktober 2023 wurde das Tor zur Hölle aufgestoßen
Eine Hölle, die von der Hamas und ihren Verbündeten am 7. Oktober 2023 geöffnet wurde. Die Terroristen haben Israel den Krieg erklärt, als sie fast 1200 Menschen ermordeten und 251 verschleppten. Sie haben diesen Krieg ohne Rücksicht auf ihre Bevölkerung begonnen und geführt.
Hamas-nahe Kanäle haben immer wieder Videos publiziert, auf denen klar zu erkennen war, dass die Extremisten in ziviler Kleidung und aus ziviler Infrastruktur heraus angreifen. Krieg in einem urbanen Umfeld gegen einen Gegner, der es darauf anlegt, dass Zivilistinnen und Zivilisten sterben, ist schwierig, grauenhaft und dreckig.
Über 46.000 Palästinenserinnen und Palästinenser sollen getötet worden sein. Wie viele von ihnen Kämpfer waren, ist unklar. Es gibt Hinweise, dass die von der Hamas kontrollierten Behörden tote Männer zu Kindern deklariert haben. Aber sicher ist: Die Opferzahlen sind grausam hoch.
Völkermord? Das ist Unsinn
Es hat mutmaßlich auf israelischer Seite Kriegsverbrechen gegeben. Das muss juristisch aufgearbeitet werden. Der immer wieder erhobene Vorwurf, Israel begehe einen Völkermord ist und bleibt aber Unsinn. Die Hamas und die anderen bewaffneten Gruppen sind immer noch zu Attacken in der Lage, wenn auch nicht mehr zu komplexen militärischen Operationen.
Hätte die israelische Armee die Hamas komplett vernichtet, wie es eigentlich Ziel war, wären viel mehr Zivilistinnen und Zivilisten tot. Die IDF haben, auch wenn das zynisch klingt, versucht, ziviles Leben zu schonen. Die Vereinten Nationen räumen mittlerweile ein, dass ein erheblicher Anteil der Hilfslieferungen in den Gazastreifen hinein von bewaffneten palästinensischen Banden geplündert wurde.
Es steht zu hoffen, dass es der Bevölkerung im Gazastreifen jetzt gelingt, die Terrorherrschaft der Hamas zu überwinden, um eine bessere Zukunft zu haben. Hoffentlich bekommen die Extremisten in der israelischen Regierung die politische und juristische Quittung dafür, dass sie den Geiseldeal so lange bewusst verhindert haben.
Der Deal, der jetzt vielleicht das Ende des blutigen Krieges markiert, ist ein letzter Triumph des scheidenden US-Präsidenten Joe Biden. Möglich war er aber wohl nur, weil der kommende Präsident Donald Trump klar gemacht, dass er mit massiver Gewalt gegen die Hamas vorgehen werde, wenn die Geiseln nicht bis zu seinem Amtsantritt frei seien.
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