Berlin. Die Grönländer hören jetzt genau hin, was aus Washington verlautet. Eine Parlamentarierin sagt, was der Insel wirklich schaden würde.
Elf Flugstunden trennen Washington, D.C., und Nuuk. Entlang dürrer Straßen schlängeln sich rote, blaue, gelbe und türkisfarbene Holzhäuser. Sie heben sich vom oftmals grauen Himmel ab, die Szenerie erinnert an Reiseprospekte über norwegische Fjorde. Die 20.000-Einwohnerstadt ist die Hauptstadt Grönlands. Sie liegt im Südwesten der Insel, die seit ein paar Tagen enorme Aufmerksamkeit erfährt. Der designierte US-Präsident Donald Trump hat seinen Wunsch erneuert, Dänemark „kaufen“ zu wollen, notfalls aber mit Zwang zu erzielen, dass die Insel zu amerikanischem Gebiet gehört. Zu den größten Aufregern zählt, dass Trump nicht explizit den Einsatz militärischer Mittel ausschließt.
Die Insel scheint einer seiner kühnsten Träume zu sein – immerhin hat er schon in seiner ersten Amtszeit davon gesprochen, sie quasi eingemeinden zu wollen. Dies sei im Interesse der nationalen Sicherheit der USA. Hintergrund dürfte die strategische Lage der Insel sein, die auch für Russland und China relevant ist. Außerdem sind die Bodenschätze verlockend. Seltene Erden, Uran, Grafit und Kohle sind vorhanden. Vor der Küste gibt es Vorkommen von Öl und Gas. Anfang Januar reiste schließlich Don Junior, Trumps 47-jähriger Sohn, mit dem Flugzeug seines Vaters, der sogenannten „Trump Force One“ nach Nuuk. Rein privat, hieß es da.
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Grönland: „Mehrheit möchte nicht die amerikanische Staatsbürgerschaft“
Doch die Grönländerinnen und Grönländer hören spätestens seit dieser Visite genau hin, was aus Washington verlautet. „Wir heißen ihn als Tourist willkommen. Wenn es aber darum geht, was sein Vater Donald Trump will, ist die Sache schon ernster“, sagte die grönländische Abgeordnete Aaja Chemnitz, die für die Insel im dänischen Parlament sitzt. „Die Mehrheit in Grönland möchte nicht die amerikanische Staatsbürgerschaft“, sagt sie. Allerdings wünsche man sich eine engere Zusammenarbeit mit den USA.
Offiziell gehört es zum Königreich Dänemark, das es finanziell stark unterstützt. Ein Fünftel des grönländischen Bruttoinlandsproduktes kommt aus Dänemark. Seit 2009 hat Grönland einen Selbstregierungsstatus, der vorsieht, dass die autonome Regierung in Nuuk selbst entscheiden darf. Ausnahme: Bei der Außen- und Sicherheitspolitik darf Kopenhagen mitentscheiden, Abkommen aus diesem Bereich bedürfen der Zustimmung aus Dänemark.
Grönland: Inuit-Mädchen bekamen Spiralen eingesetzt – manche sprechen von Völkermord
Es sind Zeichen des kolonialen Erbes, von dem man sich in Nuuk und anderen Orten auf der Insel zunehmend freimachen möchte. Für Empörung sorgt auch, dass in den 1960er-Jahren Mädchen und jungen Frauen gegen ihren Willen Spiralen eingesetzt wurden, um die Geburtenrate der Inuit-Inselbewohner zu senken. Bis heute warten viele Betroffene darauf, dass den Verantwortlichen der Prozess gemacht wird. Manche der Opfer nennen das, was passiert ist, den Versuch eines Völkermordes. Das ist gerade einmal 60 Jahre her; aufgearbeitet ist es noch lange nicht. Für die Unabhängigkeitsbestrebungen des Landes ist es zusätzliches Futter, dass das Thema zunehmend enttabuisiert und in der Öffentlichkeit besprochen wird.
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„Wir wollen keine Dänen sein. Wir wollen keine Amerikaner sein. Wir wollen selbstverständlich Grönländer sein“, sagte der Regierungschef Múte B. Egede kurz nach dem Besuch des Trump-Sohnes. Auch die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen betonte in diplomatischer Manier: „Grönland gehört den Grönländern.“
Grönland: Eine mögliche Maßnahme Trumps würde Nuuk direkt treffen
So formulieren es viele auf der Insel. „Über einen militärischen Konflikt zwischen Grönland und den USA mache ich mir keine Sorgen“, sagte die grönländische Abgeordnete Anna Wangenheim (sozialliberale Partei Demokraatit) unserer Redaktion. Man pflege eine „friedliche und strategische Beziehung mit den USA“, vor allem durch die Thule Air Base. Zu Zeiten des Kalten Krieges waren hier einmal 10.000 US-Soldaten stationiert. Geopolitische Spannungen möge es anderswo geben – in Grönland sieht Wangenheim das nicht.
Allerdings: Sollte Trump tatsächlich zu Wirtschaftssanktionen greifen, um die Insel-Bewohner gefügig zu machen, sieht die Sache anders aus. „Umfassendere Änderungen in der Handels- oder Arktispolitik würden Grönland indirekt betreffen“, sagte Wangenheim. Würden Sanktionen oder Beschränkungen eingeführt, die direkt gegen Nuuk gerichtet sind, wäre ein „unmittelbarer Effekt“ da.
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Dass es dazu kommen könnte, ist nicht auszuschließen. Reaktionen wie die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der Trump auf die Unverletzbarkeit von Grenzen hinwies, machen deutlich: Trumps Gebaren wird auch international ernst genommen.
Wie würden Grönländer in einem Referendum entscheiden?
Die Politikerin Anna Wangenheim beobachtet, wie die Grönländer auf die internationale Debatte blicken. „Die Stimmung ist zurückhaltend, aber resilient. Die Leute behalten Grönlands Souveränität im Kopf, ebenso wie das langfristige Ziel der Selbstbestimmung.“ Es herrsche Stolz auf die kulturelle Identität Grönlands und ein Bewusstsein für seine wachsende geopolitische Bedeutung in der Arktis.
Dass die Grönländer sich in einem Referendum für einen Beitritt zu den USA entscheiden würden, hält die 42-Jährige für höchst unwahrscheinlich. „Das Ziel ist die vollständige Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Sich an einem anderen Land auszurichten, würde dem zuwiderlaufen.“
Kaaleraq Ringsted, ein Kirchen-Vertreter, wies Trumps Äußerungen gegenüber der BBC klar zurück. „Es ist nicht hinzunehmen, dass er das sagt. Grönland steht nicht zum Verkauf.“ Er wolle das Leben hier, sein Leben als Fischer und Jäger, beibehalten und es für seine Kinder und Enkelkinder bewahren.