Washington. Im Unterschied zu 2017 schlägt der 78-Jährige vor seiner zweiten Amtszeit einen noch radikaleren Ton an. Kann er das durchhalten?

2016 war Donald Trump ein politischer Novize. Das war der Reiz für diejenigen, die ihn gewählt haben. Der Immobilienunternehmer aus New York wusste nicht, wie das politische Washington funktioniert. Und er wusste nicht, wie man eine Supermacht regiert. Entsprechend chaotisch war seine erste Amtszeit. Entsprechend enttäuscht reagierte Amerika und wählte ihn 2020 ab. Jetzt ist er wieder da – dem Eindruck nach radikaler, mächtiger und entschlossener als je zuvor.

Eine Kostprobe gab der 78-Jährige am Dienstag bei einer kurzfristig einberufenen 70-minütigen Pressekonferenz, um die unschönen Schlagzeilen zu verdrängen, dass er am Freitag im Schweigegeld-Prozess um den Porno-Star Stormy Daniels wenige Tage vor der Amtseinführung von Richter Juan Merchan wie ein Verbrecher behandelt wird: Er soll dann sein Strafmaß erfahren.

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Meine schwerste Entscheidung

In Mar-a-Lago pflanzte Trump mehrere Eil-Nachrichten: So ließ er indirekt durchblicken, dass die Nato-Mitgliedstaaten nicht mehr nur zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für die gemeinsame Abwehrfähigkeit investieren sollten – sondern die geradezu astronomische Zahl von fünf Prozent. Trump dekretierte: „Sie können es sich alle leisten“, ließ aber dabei unerwähnt, dass die USA, die mit einem jährlichen Wehretat von rund 900 Milliarden Dollar mit weitem Abstand den Löwenanteil im Bündnis übernehmen, selbst „nur“ auf 3,4 % kommen. EU-Vertreter in Washington nannten die Einlassung inoffiziell „absurd“. Kein Nato-Staat werde das „realistisch schultern können und wollen“.

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Erneut ging Trump auf seine jüngsten Lieblingsthemen Grönland, Panama-Kanal und Kanada ein. Gefragt, ob er definitiv auf militärische Gewalt oder ökonomischen Druck verzichten werde, um den nördlichen Nachbarstaat, die riesige Insel im Eis und die strategisch wichtige Wasserstraße unter amerikanische Kontrolle zu bekommen, wich Trump aus. „Ich werde mich dazu nicht festlegen. Es könnte sein, dass man etwas tun muss.“ Der Panama-Kanal sei „lebensnotwendig für unser Land“. Und: Amerika brauche „Grönland aus Gründen der nationalen Sicherheit.“ Nato-Partner Dänemark hatte zuvor mehrfach betont, dass die Insel nicht zum Verkauf stehe. Trump hatte bereits 2017 vergebens einen Erwerb des an Bodenschätzen reichen Eilands ins Gespräch gebracht.

Vor acht Jahren war Trumps Amtseinführung von massiven Demonstrationen begleitet gewesen. Beim „Marsch der Frauen” zogen über 500.000 Menschen allein wegen des Mega-Themas Abtreibung in die Hauptstadt Washington. In zwei Wochen wird der öffentliche Protest im Vergleich zu damals auf Sparflamme kochen. 

Nach zwei Amtsenthebungsverfahren, fünf Anklagen vor Zivil- und Strafgerichten, permanenten Rechtsstreitigkeiten und zwei überstandenen Mordanschlägen „hat sich das Anti-Trump-Momentum einigermaßen totgelaufen“, sagen Analysten in US-Medien. 

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Zumal ihn mittlerweile selbst ehemalige politische Feinde hinter vorgehaltener Hand widerwillig bewundern. Dafür, dass alle Bemühungen, Trump zu stürzen, ihn offensichtlich nur noch stärker gemacht haben. 

„Trump hat es unbestreitbar vermocht, seine Maga-Basis um unzufriedene Demokraten, Partei-Unabhängige und ethnische Minderheiten wie Schwarze und Latinos zu erweitern“, sagte ein den Demokraten nahestehender Rechtsanwalt aus dem Washingtoner Vorort Bethesda dieser Zeitung. 

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Das spiegele sich in verminderter Beißhemmung vieler Medien wider. Trumps Neigung zur Unwahrheit sei zwar unvermindert; zuletzt zählte er den in Texas geborenen und dem Militär zu Diensten gewesenen Massenmörder von New Orleans zu problematischen illegalen Einwanderern. 

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Rechtsanwalt: „Trump fackelt nicht mehr lang, wenn sich ihm jemand in den Weg stellt“

Der Unterschied zu 2016/2017: Die vierte Gewalt fällt nicht mehr wie eine Meute Wölfe über ihn her. Ein Grund: 2017 kam Donald Trump in der Bevölkerung nie auf Zustimmungswerte von 40 Prozent hinaus. Heute haben bereits über 50 Prozent der Amerikaner, trotz der holprigen Transitions-Periode mit schrägen Personalien (Fox-News-Verteidigungsminister-Kandidat Pete Hegseth) und noch schrägeren geopolitischen Einfällen (Grönland eingemeinden und den Panama-Kanal besetzen) ein gutes Gefühl, bevor Trump seinen ersten Amtstag begeht. 

Designierter US-Präsident Trump besucht Kongress
Donald Trump im Kongress (Archivbild von November 2024): Er geigt den Abtrünnigen die Meinung. © DPA Images | ALLISON ROBBERT

Der Rechtsanwalt aus Bethesda, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen will, stellt fest: „Trump fackelt anders als beim ersten Mal nicht mehr lang, wenn sich ihm jemand in den Weg stellt.“ Aktuelles Beispiel: Als bei der Wahl des Sprechers im Repräsentantenhaus drei Republikaner offensiv gegen Trumps Wunschkandidaten Mike Johnson votierten, griff der designierte Präsident selbst zum Handy, geigte den Abtrünnigen die Meinung, sodass zwei auf der Stelle umdrehten und in seinem Sinnen abstimmten. Ein Vorgeschmack auf das, was Trump bis spätestens Ende April von den republikanischen Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses erwartet: ein „Ja“ zu einem umfassenden, milliardenschweren Gesetzespaket, das sämtliche seiner Kern-Versprechen – Grenzsicherung, Steuersenkungen und Stärkung fossiler Energiegewinnung – beinhalten soll.

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Trump macht anders als 2017 kein Hehl aus seiner Überzeugung, dass der politische Betrieb gestrafft werden muss. Widersacher in den eigenen Reihen, die nicht konform gehen mit seiner Agenda, werden mit der Drohung unter Druck gesetzt, dass sie bei der nächsten Wahl Gegenkandidaten zu gewärtigen haben. Zur Disziplinierung und Einschüchterung hat sich Trump die kostenlosen Berater-Dienste von Elon Musk gesichert, der nahezu täglich auf seinem Kommunikationsportal X Leute in den Senkel stellt, die Zweifel an der America-First-Strategie äußern. Am Parlament vorbei hat Trump mit Musk Fakten geschaffen, indem er ihm die Prokura für eine Art Sonderbehörde gab, die den Staatsapparat bis 2026 um rund 2000 Milliarden Dollar massiv entschlacken soll.

Krypto und TikTok: Trump schlägt bei diversen Themen eine neue Richtung ein

Trump 2.0 wird bei diversen Themen eine neue Richtung einschlagen. Nachdem er sich 2020 noch als Vorreiter bei der Entwicklung von Corona-Impfstoffen hatte feiern lassen, plant er nun, mit Robert F. Kennedy Jr. einen ausgewiesenen Impf-Skeptiker als Gesundheitsminister in sein Kabinett zu holen. Noch größer ist der Sinneswandel bei Kryptowährungen und TikTok. 2017 kritisierte er wiederholt Bitcoin und andere digitale Vermögenswerte und bezeichnete sie als „kein Geld“ und „Betrug“. Heute will Trump die USA zur „Krypto-Hauptstadt des Planeten“ machen. Ein Grund: Die Top-Player der Branche steckten über 130 Millionen Dollar in seine Wahlkampagne.

In seiner ersten Amtszeit war Trump ein entschiedener Gegner von TikTok, dem Social-Media-Riesen in chinesischem Besitz. Er versuchte, die App aus Gründen der nationalen Sicherheit in den USA zu verbieten. Seine Regierung drängte auf einen erzwungenen Verkauf der US-amerikanischen Geschäftsbereiche von TikTok, in der Hoffnung, den chinesischen Mischkonzern ByteDance zur Veräußerung seiner Anteile zu zwingen. Jetzt hat Trump seine Meinung geändert und gelobt, TikTok vor einem drohenden US-Verbot zu schützen. Ein im vergangenen Frühjahr verabschiedetes Gesetz im Kongress, das den Verkauf von TikTok bis Ende Januar dekretiert, soll gekippt werden. Auch hier spielt Geld eine Rolle. Jeff Yass, dem 15 Prozent von TikTok gehören, hatte rund 100 Millionen Dollar in Trumps Wahlkampf investiert.