Berlin. Schwarz-Gelb, die einzige Barriere gegen einen weiteren Vormarsch der AfD? Die Liberalen und ihr Chef haben Maß und Mitte verloren.
Eines muss man der FDP und ihrem Vorsitzenden Christian Lindner lassen: Ihr Optimismus ist unerschütterlich, der lebensbedrohlichen Lage der Partei zum Trotz. Das wurde am Montag wieder beim traditionellen Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart deutlich. Nach dem kläglichen Ampel-Aus nimmt die Drei-bis-vier-Prozent-Partei für sich in Anspruch, die treibende Kraft einer ambitionierten, marktorientierten Reformpolitik in Deutschland zu sein. Sie will nach den vorgezogenen Bundestagswahlen im Februar wieder regieren, und zwar dieses Mal unter einem CDU-Kanzler Friedrich Merz.
Und Lindner setzt sogar noch einen drauf: Seine neue Erzählung lautet, dass nur Schwarz-Gelb den weiteren Aufstieg der rechten AfD stoppen könne. Entweder Merz und ich oder dann ab 2029 die Demokratiefeinde, die dieses Land zerstören wollen – das ist nach Lindners Darstellung die Alternative.
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Man fragt sich, ob es vielleicht nicht doch eine Nummer kleiner geht. Die FDP hat genug damit zu tun, überhaupt wieder in den Bundestag zu kommen. Sollte sie nach der Wahl zur Mehrheitsbeschaffung gebraucht werden, wird sie sich bestimmt wieder sehr teuer verkaufen.
Die Unterstellung aber, dass die politischen Wettbewerber von Mitte-Links im Grunde Steigbügelhalter für Rechtsextreme seien, ist der Situation in diesem Land nicht angemessen. Sie ist eher dem Ernst der Lage geschuldet, in der sich die FDP befindet. Es kann sein, dass das Publikum gerade die letzten Aufwallungen einer Partei erlebt, die die Bundesrepublik einst mit erfand und über Jahrzehnte hinweg mit prägte, am Ende aber an sich selbst scheiterte.
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