Berlin. Der Bundespräsident löst das Parlament auf und macht den Weg für Neuwahlen frei. Steinmeier warnte dabei besonders vor einer Gefahr.

Der 20. Deutsche Bundestag ist Geschichte: Am Freitagvormittag löste Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Parlament auf und machte damit den Weg zu Neuwahlen frei. Überraschend kam die Entscheidung nicht. Seitdem Bundeskanzler Olaf Scholz die Vertrauensfrage angekündigt und dann im Dezember wie geplant verloren hatte, war damit gerechnet worden. Was das bedeutet und wie es jetzt weitergeht.

Warum löst der Bundespräsident das Parlament auf?

„Die Auflösung des Bundestages vor dem Ende der Legislaturperiode und vorgezogene Neuwahlen sind in unserem Land Ausnahmefälle“, sagte Steinmeier zur Begründung des Schrittes. „Aber gerade in schwierigen Zeiten wie jetzt braucht es für Stabilität eine handlungsfähige Regierung und verlässliche Mehrheiten im Parlament.“

Über eine solche Mehrheit verfügt die Regierungskoalition, die nach dem Zerbrechen der Ampel-Koalition nur noch aus Sozialdemokraten und Grünen besteht, aber nicht mehr. Und es war mit dem bestehenden Bundestag auch keine neue in Sicht: Steinmeier hatte in den vergangenen Wochen Gespräche mit den Vorsitzenden der Fraktionen und Gruppen im Bundestag geführt, um zu überprüfen, ob stattdessen nicht ein anderes Bündnis zustande kommen könnte. Das habe er aber nicht erkennen können. „Deshalb bin ich überzeugt, dass zum Wohle unseres Landes Neuwahlen jetzt der richtige Weg sind“, sagte der Präsident.

Historisch ist die vorzeitige Auflösung des Parlaments in der Bundesrepublik tatsächlich die Ausnahme: Sechs Mal wurde bislang die Vertrauensfrage gestellt, und nur 1972, 1983, 2005 und jetzt 2024 wurde im Anschluss an eine verlorene Vertrauensfrage der Bundestag aufgelöst.

Der etwas umständliche Weg zur Auflösung über die Vertrauensfrage ist eine Folge der Erfahrungen in der Weimarer Republik – damals konnte der Reichspräsident den Reichstag einfach auflösen. 

Entscheidung zur Auflösung des Deutschen Bundestages
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den Weg zu Neuwahlen frei gemacht und diese auf den 23. Februar terminiert. © DPA Images | Sören Stache

Hätte Steinmeier sich auch gegen die Auflösung entscheiden können?

Nach dem Grundgesetz hätte er das tun können. Artikel 68 der Verfassung sagt, dass der Präsident den Bundestag nach einer verlorenen Vertrauensfrage auf Vorschlag des Kanzlers auflösen kann. Er muss es aber nicht. Gebrauch gemacht hat von diesem Spielraum bisher niemand: In der Geschichte der Bundesrepublik hat noch nie ein Bundespräsident einen Vorschlag des Kanzlers zur Auflösung abgelehnt.

Hat Deutschland jetzt noch ein handlungsfähiges Parlament?

Ja. Artikel 39 des Grundgesetzes stellt klar, dass die Wahlperiode erst „mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestages“ endet. Die 733 Abgeordneten können ihre Mandate also weiterhin ausüben und auch Entscheidungen treffen. Es wird auch noch weiter gearbeitet: Für den Januar ist noch eine vollständige Sitzungswoche des Parlaments geplant, auch im Februar wird es noch Sitzungstage geben.

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Meine schwerste Entscheidung

Was heißt die Auflösung Folgen für die Bundesregierung?

Bundeskanzler Olaf Scholz und das Kabinett sind weiterhin im Amt. Weil die Koalition aus SPD und Grünen allerdings keine eigene Mehrheit mehr im Bundestag hat, sind sie sehr eingeschränkt in ihren Möglichkeiten, noch Entscheidungen zu treffen, die die Zustimmung des Parlaments brauchen.

Die Bundesregierung sei im Amt und führe die Geschäfte auch nach Wahl weiter, bis eine neue Regierung gebildet werde, sagte Steinmeier. „Unsere Demokratie funktioniert auch in Zeiten des Übergangs“, betonte der Bundespräsident. Er wünsche sich, dass diese Stärke der Demokratie auch im jetzt anstehenden Wahlkampf sichtbar werde.

Wie geht es jetzt weiter?

Nach der Auflösung muss laut Verfassung innerhalb der nächsten 60 Tage der neue Bundestag gewählt werden. Steinmeier bestätigte am Freitag den 23. Februar, jenes Datum, das schon zuvor avisiert worden war, als Tag der Neuwahl. Spätestens 30 Tage nach der Wahl muss laut Grundgesetz dann das neue Parlament zusammentreten. Bärbel Bas, bisherige Bundestagspräsidentin, wird diese Sitzung einberufen. 

Es ist ein vergleichsweise kurzer Wahlkampf, der jetzt bevorsteht, in den Parteien bereitet man sich darauf vor, dass er mit großer Härte geführt wird. Steinmeier mahnte am Freitag zu Fairness, schon weil man nach der Wahl wieder Kompromisse finden müsse. Die Debatte über die besten Lösungen könne „auch mit Zuspitzungen und Schärfe geführt werden“, sagte der Präsident in Berlin. Das vertrage die freiheitliche Demokratie. „Aber ich erwarte, dass dieser Wettstreit mit Respekt und mit Anstand geführt wird.“ Verunglimpfung, Einschüchterung, Hass und Gewalt dürften keinen Platz haben im Wahlkampf, sie seien „Gift“ für die Demokratie.

Steinmeier warnte außerdem vor Einflussnahme auf die Wahlen von außen – diese sei „eine Gefahr für die Demokratie“, sowohl verdeckt, „wie kürzlich offenbar bei den Wahlen in Rumänien, oder offen und unverhohlen, wie es derzeit besonders offensiv auf der Plattform X betrieben wird.