Berlin. Die deutsche Politik reagiert entsetzt auf Musks Wahlaufruf für die AfD. Die trifft sich währenddessen mit Schweizer Rechtsextremen.

Es mangelt Elon Musk nicht an Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen. Der 53-jährige Tech-Milliardär hat nicht nur das Ohr des designierten US-Präsidenten Donald Trump, sondern als Eigentümer der Plattform X auch direkten Einfluss auf eines der wichtigsten Social-Media-Netzwerke der Welt.

Doch für seine jüngste Einmischung in den deutschen Bundestagswahlkampf wählte Musk einen anderen Weg: Als Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“ veröffentlichte er einen Text, in der er zur Wahl der in Teilen rechtsextremen AfD aufrief und die Partei als letzten „Funke Hoffnung“ für Deutschland bezeichnete. Die Position blieb zwar nicht unwidersprochen, der bisherige Chefredakteur von Welt Fernsehen und designierte Chefredakteur der „Welt“, Jan Philipp Burgard, argumentiert in einem parallel veröffentlichten Beitrag, Musk liege „fatal falsch“.

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Elon Musk, Unternehmer, reichster Mensch der Welt, Trump-Berater – und AfD-Sympathisant. © The Washington Post via Getty Images | The Washington Post

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Trotzdem sorgt die Wortmeldung des Milliardärs für große Unruhe – innerhalb und außerhalb der Redaktion der „Welt am Sonntag“. Mehrere Journalistinnen und Journalisten des Hauses distanzierten sich öffentlich von der Entscheidung, den Beitrag zu publizieren. Die Leiterin des Ressorts Meinung, Eva Marie Kogel, erklärte, sie habe nach dem Andruck ihre Kündigung eingereicht.

CDU-Chef Merz: Musk müsse einige Dinge „übersehen“ haben

In den Reaktionen aus der Politik dominieren Unverständnis und Entsetzen über die Entscheidung. „Ich kann mich nicht erinnern, dass es in der Geschichte der westlichen Demokratien einen vergleichbaren Fall der Einmischung in den Wahlkampf eines befreundeten Landes gegeben hat“, sagte Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union, dieser Redaktion. „Der Wahlaufruf von Elon Musk ist übergriffig und anmaßend.“

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Musk müsse bei der Abfassung seines Namensbeitrags auch einige Dinge übersehen haben, fügte er hinzu. So hätte es mit der AfD den Bau seines Tesla-Werkes in Brandenburg nie gegeben, „denn es war die AfD, aus der der heftigste Widerstand gegen dieses Werk kam“. Der CDU-Chef erinnerte auch daran, dass die AfD den Austritt aus der EU befürworte, was der deutschen Wirtschaft – „nicht nur der Automobilindustrie“ – massiv schaden würde.

SPD-Generalsekretär Matthias Miersch sagte dem „Handelsblatt“, es sei „beschämend und gefährlich“, dass der Springer-Verlag, zu dem die „Welt am Sonntag“ gehört, Musk eine offizielle Plattform biete, um Wahlwerbung für die AfD zu machen. Der Vorgang zeige, „wie weit rechte Netzwerke inzwischen vorgedrungen sind“.

Ex-Grünen-Chefin Lang: „Rechtsextreme Ausrichtung“ der AfD Grund für Musks Unterstützung

Und Ex-Grünen-Chefin Ricarda Lang erklärte, es sei „naiv“ zu denken, Elon Musk unterstütze die AfD nur, weil ihm niemand deutsche Politik gut genug erklärt hat. „Die rechtsextreme Ausrichtung der AfD ist der Grund für die Unterstützung, nicht das Hindernis“, sagte Lang.

Tatsächlich passt die Unterstützung für die AfD in ein Muster: Musk, der in den USA früher dem Lager der Demokraten angehörte, nutzt seine Prominenz und sein Geld inzwischen, um international politische Kräfte am äußersten rechten Rand zu stärken. Kontakte zur italienischen Ministerpräsidentin, der „Postfaschistin“ Giorgia Meloni, gibt es seit längerem, Musk sagt offen, dass er sie „bewundere“. Als ein italienisches Gericht bei Melonis Asyl-Politik auf die Bremse tritt, schreibt er auf X, „diese Richter müssen gehen“. Und in Großbritannien erwägt er offenbar eine enorme Spende an die „Reform“-Partei von Brexit-Agitator Nigel Farage.

In Deutschland ist es eben die AfD, für die Musk jetzt trommelt. Deren Mandatsträger zeigen derweil unverhohlen, wie die „kontrollierte Einwanderungspolitik“, die Musk der AfD zuschreibt, aussehen soll.

„Correctiv“-Recherche zu Treffen mit Schweizer Extremisten

Erst vor wenigen Tagen wurde durch einen Bericht der Recherche-Plattform „Correctiv“ bekannt, dass Vertreter der AfD vor Weihnachten in die Schweiz gereist waren, um dort bei einer Veranstaltung der rechtsextremen Gruppierung Junge Tat aufzutreten.

Eingeladen waren der AfD-Bundestagsabgeordnete Roger Beckamp und Lena Kotré, Vize-Chefin der AfD-Fraktion in Brandenburg. Kotré war überregional bekannt geworden, als sie im vergangenen Landtagswahlkampf Kubotans verteilte, spitze Metallstäbe, die in anderen Ländern als Waffe verboten sind. Bei dem Treffen in der Schweiz plädierte sie laut „Correctiv“ unter anderem dafür, eingebürgerten Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft diese wieder zu entziehen und sie abzuschieben, wenn diese mit dem Recht in Konflikt kommen.

Experte: AfD nähere sich an „organisierten kämpferischen Neonazismus“ an

Anders als das Treffen in Potsdam, das zu Beginn des Jahres wochenlange Massenproteste gegen die AfD ausgelöst hatte, war diese Veranstaltung nicht geheim, sondern wurde auf den Social-Media-Kanälen der Jungen Tat beworben. Kotré kommentierte auf Musks Plattform X, „Correctiv“ gebe „unser Parteiprogramm wieder“.

Experten werten das Treffen als ein Zeichen für die internationale Vernetzung der Partei. Es zeige eine weitere Annäherung der AfD an „den organisierten kämpferischen Neonazismus außerhalb der Parlamente – in den rechtsextremen Untergrund“, sagt Matthias Quent vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena. Die Junge Tat organisiere sich zum großen Teil konspirativ, zeige sich auf Bildern „vermummt, aggressiv und kämpferisch“. Noch extremistischer gehe es nur noch im offenen bewaffneten Kampf.

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In Berlin werden deshalb die Stimmen lauter, die mit Nachdruck auf ein Verbotsverfahren gegen die Partei dringen. Die „Correctiv“-Recherche zeige erneut, wie gefährlich die AfD sei, sagt Katrin Göring-Eckardt, Vizepräsidentin des Bundestags, dieser Redaktion. „Gemeinsam mit Neonazis wird offen aggressiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik agiert“, sagt sie. „Auch im Zusammenspiel mit dem russischen Regime und dem deutschlandfeindlichen Oligarchen Elon Musk zeigt sich das planvoll verfolgte politische Ziel der AfD, das Funktionieren dieser Ordnung zu beeinträchtigen.“

Ausreichend Anhaltspunkte, findet Göring-Eckardt, dass die Partei mutmaßlich verfassungswidrig sei. Deshalb sollte ihrer Meinung nach jetzt ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eingeleitet werden. Die Grünen-Politikerin gehört zu den Bundestagsabgeordneten, die im November einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht hatten.

Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher von CDU und CSU, gibt zu bedenken, dass ein solches Verfahren die AfD allerdings auch stärken könnte. „Die Debatte um ein Verbotsverfahren mitten im Wahlkampf ist dagegen nur Wasser auf deren Mühlen“, sagte er dieser Redaktion. „Wir hätten nichts gewonnen, wenn die AfD die Mär von den ‚letzten freien Wahlen‘ verbreitet, um ihre eigenen Anhänger zu mobilisieren.“