Washington. Musk wirbt für die AfD und beleidigt Olaf Scholz. Die Ursachen seiner politischen Radikalisierung liegen womöglich in seiner Familie.

Vor acht Jahren war er ein Anhänger des demokratischen Präsidenten Barack Obama. Heute ist Elon Musk auf dem Sprung, unter dem populistischen Republikaner Donald Trump der mächtigste Präsidentenberater in der Geschichte zu werden. Und noch reicher. Schließlich profitiert er als Chef von Tesla und der Raumfahrtfirma SpaceX von Subventionen und Aufträgen der US-Regierung, die er bald in Sachen „Effizienz“ beraten wird.

Nun mischt sich der Milliardär sogar in den deutschen Wahlkampf ein, wirbt – unter anderem in einem umstrittenen Gastbeitrag in der „Welt“ – für die AfD und forderte nach dem Anschlag in Magdeburg den Rücktritt von Bundeskanzler Olaf Scholz. Dabei sind die Ursachen von Musks politischer Radikalisierung womöglich in seiner eigenen Familie zu finden.

Die Radikalisierung von Elon Musk beginnt

Die dramatische Wende zeigte sich schon vor etwas mehr als drei Jahren. Am 19. Dezember 2021 schrieb der Unternehmer auf der Social-Media-Plattform, die damals noch Twitter hieß, einen kryptisch anmutenden Satz: „Traceroute woke-mind-virus“. Bei „traceroute“ handelt es sich um einen Netzwerkbefehl, der darauf abzielt, den Ursprung von Informationen nachzuvollziehen, die im Internet verbreitet werden. In diesem Fall bezieht sich Musk auf die sogenannte Woke-Bewegung, die ein Bewusstsein für Diskriminierung schaffen möchte – insbesondere soziale, religiöse, sexistische und rassistische – und die Musk als „Virus“ bezeichnet. Der Begriff „woke“ wird dabei vor allem von Kritikern verwendet.

Vor dem sechsten geplanten «Starship»-Flug - Trump
Elon Musk (l.) soll die kommende US-Regierung unter Donald Trump in Sachen Effizienz beraten. © DPA Images | Brandon Bell

Im darauffolgenden Jahr outete sich Musks Tochter Vivian Jenna Wilson als trans. Sie schrieb daraufhin öffentlich, dass sie „in keiner Weise mit meinem biologischen Vater etwas zu tun haben“ wolle. Musks damalige Freundin erklärte, das habe ihn zutiefst erschüttert und „ihm das Herz gebrochen“.

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Fünf Monate nach seinem „Traceroute“-Tweet verkündete Musk die Absicht, Twitter zu kaufen. Nach langwierigen Verhandlungen über die komplexe Finanzierung war die Übernahme dann Ende Oktober perfekt. Bald danach versah der exzentrische Milliardär die populäre Plattform mit dem Namen „X“. Zugleich begann eine lange Serie von Posts, die zunehmende Radikalisierung signalisierten und nun in eine Einmischung in den Bundestagswahlkampf mündeten.

Musk mit großem Lob für die AfD

So schrieb Musk auf X, wo er schon früher rechtsgerichtete Parteien und Bewegungen unterstützt hatte, dass „nur die AfD Deutschland“ retten könne. Prompt nutzte Alice Weidel, die Fraktionsvorsitzende, Musks Engagement zu Werbezwecken. Sie zog gegen die „Sozialistin Angela Merkel“ sowie die „Sowjetische EU“ vom Leder, die zur Zerstörung der deutschen Wirtschaft geführt hätten. Auch forderte sie den Konzernlenker auf, einen Antrag auf Parteimitgliedschaft auszufüllen.

Unterdessen glauben politische Experten in den USA, dass Musk in den kommenden Wochen seinen Einsatz für die AfD sogar verstärken könnte. Schließlich hatte er nach dem Anschlag in Magdeburg Scholz als „inkompetenten Narren“ beschimpft und die Ansicht vertreten, dass die Attacke das Ergebnis „ungeregelter Masseneinwanderung“ gewesen sei. In Großbritannien ist Musk schon einen Schritt weiter. Medienberichten zufolge plant Musk, bis zu 100 Millionen Dollar an Nigel Farages rechtspopulistische Reform-Partei zu spenden.

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Worin aber besteht der Zusammenhang zwischen seiner Tochter Vivian und dem politischen Rechtsruck? Was hat ihre Geschlechtsangleichung damit zu tun, dass ein Mann, der sich von Barack Obama über Hillary Clinton bis hin zu Joe Biden im Jahr 2020 für Demokraten einsetzte, nun Donald Trump und die Republikaner unterstützt? Der Autor Walter Isaacson glaubt, die Antwort zu kennen. Isaacson, der unter anderem Bücher über Leonardo da Vinci, Albert Einstein und Steve Jobs geschrieben hat, kennt Musk bestens.

Musk wird mächtiger und mächtiger

In Vorbereitung einer Biografie über den Tech-Titanen war Isaacson dem Milliardär zwei Jahre lang dicht auf den Fersen, nahm an geschäftlichen Besprechungen teil, führte zahlreiche Interviews, durfte Musks E-Mails und Tweets einsehen und sprach sowohl mit Freunden als auch Rivalen des Unternehmers. Ihm habe Musk gesagt, dass er früher die Demokratische Partei unterstützt habe, weil diese „Wohlwollen und Nächstenliebe“ repräsentierte. Mittlerweile seien die Demokraten aber zur „Partei von Spaltung und Hass“ mutiert.

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Meine schwerste Entscheidung

Auch seien es Demokraten, die der Woke-Bewegung den Weg gepflastert hätten. Über ihren Kampf für Gleichberechtigung, insbesondere für Vertreter der LGBTQ-Gemeinde und speziell Transgender, schimpfte er. Die gesellschaftliche Bewegung „hat im Prinzip meinen Sohn getötet, nun werde ich das Woke-Virus zerstören“, sagte er noch im Sommer, wenige Monate vor den US-Wahlen. Das Ergebnis: Musk stellte sich hinter den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Trump, der seit Jahren mit Woke auf Kriegsfuß steht und die Bewegung als „kulturellen Bullshit“ geißelt.

Wie aber wird es weitergehen, wenn Trump – mit Musk an seiner Seite – in weniger als vier Wochen das mächtigste Amt der Welt übernimmt? Social-Media-Experten erwarten, dass fingierte Deep-Fake-Videos, die Trumps Gegner diskreditieren, noch häufiger werden. Auch ist möglich, dass Musk sein immenses Vermögen und das daraus abgeleitete politische Mitspracherecht nutzt, um den Kurs der neuen Regierung auch in der Ukraine und dem Nahen Osten zu beeinflussen. Sicher erscheint lediglich, dass in den kommenden Monaten und – sollte die Freundschaft so lange Bestand haben – sogar Jahren politische Verbündete ebenso wie Gegner rund um den Globus den Atem anhalten müssen.

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